Analyse von Oberflächen: Von der Archäologie zur Industrie

12.04.2016 - Österreich

Das EU-Projekt „3D-Pitoti “ untersuchte in Norditalien prähistorische Felsgravuren mit moderner Medientechnik. Dabei wurden Verfahren für 3D-Scans und die automatische Analyse der Daten weiterentwickelt. Diese Techniken könnten in Zukunft auch in der Industrie eingesetzt werden.

Markus Seidl / FH St. Pölten

Detail der 3D-Analyse

Markus Seidl / FH St. Pölten

Eines der ca. 50.000 Pitoti.

Markus Seidl / FH St. Pölten
Markus Seidl / FH St. Pölten

Im norditalienischen Tal Valcamonica haben Menschen prähistorischer Kulturen mehr als 50.000 Bilder, sogenannte Pitoti, in den Fels gemeißelt. Die meist Jahrtausende alten Darstellungen von Menschen, Gegenständen und abstrakten Mustern sind jedoch nur schwer zugänglich – und verletzlich. Das EU-Projekt 3D-Pitoti erfasste in den letzten drei Jahren den Stand der Gravuren und machte diese mit moderner Medientechnik für ein breites Publikum zugänglich. Der Einsatz von 3D-Kameras, Drohnen und neuen Analysemethoden erleichterte zudem Archäologen ihre Arbeit.

Dritte Dimension der Felsgravuren

Im Rahmen des Projekts wurde erstmals die dreidimensionale Struktur der Steinbilder untersucht und aufgezeichnet. In diesem Projekt arbeitete die FH St. Pölten unter der Leitung der Universität Nottingham an der Entwicklung intelligenter Datenverarbeitungstechnologien, um Strukturen in den 3D-Daten der Steinfiguren zu erkennen und nutzbar zu machen.

Altersbestimmung am Fels

Die detaillierte Analyse der dreidimensionalen Werkzeugspuren im Stein zeigt, in welchen Schritten übereinander gravierte Figuren bearbeitet wurden. „Diese Analyse der Arbeitsschichten ermöglicht das relative Datieren der Figuren, denn eine Altersbestimmung mittels Kohlenstoffmethode ist am Stein nicht möglich“, erklärt Markus Seidl, Leiter des Instituts für Creative\Media/Technologies (IC\M/T) und Projektleiter für „3D-Pitoti “ an der FH St. Pölten.

Bei der klassischen archäologischen Analyse wurden die Steinbilder in einem langwierigen Prozess von der Steinoberfläche abgepaust. Das Untersuchen der feinen dreidimensionalen Spuren so wie es das Projekt 3D-Pitoti verwirklicht ist bei der klassischen Dokumentation nicht möglich. Seidl hat mit Kollegen im Projekt zudem eine Methode zum automatisierten Vergleich einer hohen Zahl an Abbildern von mehreren Fundorten entwickelt. Auch dies erleichtert die Altersbestimmung, denn ähnliche Symbole stammen meist aus der gleichen Zeit.

Verbesserte Denkmalpflege

Am Projekt beteiligt war auch das deutsche Unternehmen ArcTron 3D. Es arbeitet im Bereich der Vermessungstechnik und nutzt Methoden des 3D-Laserscannings und der Photogrammetrie. „Für uns war die intensive Zusammenarbeit mit den verschiedenen universitären Partnern hochinteressant. Wir halten den Beitrag der FH St. Pölten zur Mustererkennung in 2D und 3D für besonders wertvoll und zukunftsweisend. Sollte sich dieser Ansatz zukünftig weiterverfolgen lassen, würden sich insbesondere für Forschungen in der Archäologie und Denkmalpflege zahlreiche Möglichkeiten ergeben, automatisiert Strukturen in 3D-Daten zu erkennen und zu klassifizieren. Zurzeit ist dies für die eigentliche Aufgabenstellung im Projekt, die prähistorische Felsbildkunst, möglich, doch die Technik wird in diesem Bereich zahlreiche neue Perspektiven eröffnen“, sagt Martin Schaich, ausgebildeter Archäologe und Geschäftsführer von ArcTron 3D.

Anwendung in der Industrie

„Wir haben mit den Partnerinnen und Partnern im Projekt Machine-Learning-Verfahren zur Oberflächenklassifikation entwickelt: Bearbeitete werden von unbearbeiteten Flächen unterschieden und große Mengen an 3D-Daten werden automatisch verarbeitet, um Muster zu erkennen. Dies lässt sich auch für bildgebende Verfahren in der Industrie einsetzen, etwa zur Materialprüfung, zur Analyse von Oberflächen und in der Qualitätssicherung“, sagt Seidl. So könnten zum Beispiel an gefrästen Oberflächen feine Krater und Risse erkannt werden. Solche möglichen Anwendungen sind ein Beispiel für den Einsatz moderner Medientechnik in der sogenannten „Industrie 4.0“.

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