Mit Quantensensoren aus Diamant winzige Magnetfelder identifizieren
© Foto Fraunhofer IAF
Die Quantenmechanik ist nicht nur ein spannendes Feld der Grundlagenforschung. Fortschritte in der Quantentechnologie versprechen eine Vielzahl industrierelevanter Innovationen, die in den kommenden fünf bis zehn Jahren Einzug in die Wirtschaft halten werden. Forscher am Fraunhofer Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF, an der Universität Stuttgart und am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung entwickeln gemeinsam hochempfindliche Diamantsonden als Basis für neuartige Quantensensoren. Diese sind in der Lage, kleinste magnetische Felder mit nanometergenauer Ortsauflösung zu charakterisieren. In Zukunft sollen die Sonden zur Analyse und Kontrolle von magnetischen Speichermedien eingesetzt werden, um fehlerhafte Festplattenbereiche zu identifizieren und so die Ausschussraten und Produktionskosten wesentlich zu reduzieren. Weitere Einsatzfelder liegen in der Charakterisierung biologischer Substanzen wie beispielsweise Proteine. Das 2016 gestartete Forschungsprogramm mit dem Namen »NMR (Nuclear Magnetic Resonance oder Kernspinresonanz) at the Nanoscale« hat eine Laufzeit von drei Jahren.
Unmittelbares Ziel der Kooperation zwischen Prof. Jörg Wrachtrup (Universität Stuttgart), Prof. Klaus Kern (Max-Planck-Institut) und Christoph Nebel (Fraunhofer IAF) ist die Herstellung von Magnetfeld-Sonden aus Diamantspitzen. Die Detektion von Magnetfeldern erfolgt über ein sogenanntes Stickstoff-Vakanz-Zentrum (NV), das sich etwa 10 Nanometer unter der Oberfläche der Diamantspitze befindet. Die Spitzen sind vergleichbar mit den Sonden eines Rasterkraftmikroskops und können mit hoher Präzision über magnetische Elemente anorganischer oder biologischer Art bewegt werden. Wirtschaftlich bedeutende Anwendungen sind Mess- und Kalibriersonden zur Qualitätskontrolle magnetischer Speicherplatten und Leseköpfe, deren Dimensionen in naher Zukunft bei ca. 20 Nanometern liegen werden.
Darüber hinaus ist geplant, die Magnetfeld-empfindlichen NV-Zentren in Diamant-Plättchen anzuordnen, um die Verteilung von magnetischen Momenten zu visualisieren. Dieses Verfahren ähnelt der klassischen optischen Mikroskopie, wobei das Bild die Verteilung von lokalen Magnetfeldern zeigen soll.
Festplattenkontrolle mit Magnetfeldsensoren aus Diamant
Der Markt für Speichermedien befindet sich seit Jahren im Boom. Grund dafür ist die fortschreitende Digitalisierung in allen Lebensbereichen: Sie lässt das weltweit generierte Datenvolumen rasant ansteigen. Waren es im Jahr 2015 noch 8 Zettabytes, soll der Wert bis zum Jahr 2020 laut der IDC-Studie »Digital Universe« auf über 40 Zettabytes ansteigen – dies entspricht einer Verdopplung alle zwei Jahre. Wie unvorstellbar groß diese Zahl ist, visualisieren die Experten der Studie mit folgendem Vergleich: Würde man jeweils ein Sandkorn pro Bit zum Speichern benutzen, so entsprächen 40 Zettabytes 57-mal der Menge an Sandkörnern aller Strände der Erde.
Mit steigendem Datenvolumen nimmt auch der Bedarf an kompakten magnetischen Speichermedien zu. Die Industrie produziert immer dichter beschriebene Festplatten. Aber mit der Datendichte steigt auch die Fehlerquote exponentiell an. Verdoppelt man die Datendichte, verzehnfacht sich die Fehlerrate in der Produktion und der Ausschuss steigt. Oft sind nur einzelne Sektoren der Festplatte fehlerhaft. Mit den neuen Quantensensoren haben die Forscher des Fraunhofer IAF, der Universität Stuttgart und des Max Planck-Instituts eine mögliche Lösung gefunden, die einzelnen Datensegmente auf der Festplatte zu prüfen. Anhand der Diamantsensoren erkennen sie, ob ein Magnetfeld anliegt oder nicht. Fehlerhafte Segmente können damit geortet und vom Schreib- und Lesevorgang ausgeschlossen werden. Millionen von Festplatten oder Schreibköpfen können so geprüft, Ausschussraten reduziert und dadurch Kosten gesenkt werden.
Kernspinresonanz-Spektroskopie (NMR) mit Diamantsensoren
Die Identifikation kleinster Magnetfelder mit Diamantsensoren funktioniert wie folgt: In der winzigen Diamantspitze werden zwei benachbarte Kohlenstoffatome entfernt und eine der entstandenen Vakanzen durch ein Stickstoffatom ersetzt. Über die Elektronen des entstehenden Stickstoff-Vakanz-Zentrums können mit der Kernspinresonanz-Spektroskopie (NMR) selbst kleinste magnetische Felder mit einer Auflösung von wenigen Nanometern detektiert werden. So können einzelne, nicht magnetische und damit fehlerhafte Datensegmente auf dem Speicherträger identifiziert und vom Schreib- und Lesevorgang ausgeschlossen werden. Das Ergebnis: Die Festplatte kann defektfrei verkauft werden. Kunden und Produzenten profitieren gleichermaßen vom abnehmenden Ausschuss und den sinkenden Produktionskosten.
In Zukunft könnten die Diamantsensoren in einer Vielzahl von unterschiedlichen Anwendungen zum Einsatz kommen, zum Beispiel in der Biomedizin für den Nachweis von Krankheiten und Giftstoffen oder in der Materialwissenschaft für die Zuverlässigkeits- und Sicherheitsprüfung.
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