Chemie 4.0: Unternehmen unter Zugzwang
Digitaler Wandel wirkt sich stark auf die Wettbewerbsfähigkeit der Chemieindustrie aus
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Die Chemiebranche ist eine wichtige Säule der globalen Wirtschaft. Ihr weltweites Geschäftsvolumen beträgt heute rund 2,3 Billionen Euro und dürfte bis 2035 weiter auf 5,6 Billionen Euro wachsen. Doch damit diese wichtige Industrie von ihrem Wachstum profitieren kann, sollte sie sich zukunftsfest aufstellen. "Bisher entscheiden die Optimierung von Produktionsanlagen oder die Preisgestaltung über den Erfolg von Chemieunternehmen", sagt Carolin Griese-Michels, Partner von Roland Berger. "Parallelen zur digitalen Welt der Internetunternehmen sind dabei auf den ersten Blick schwer auszumachen."
Doch die dramatischen Auswirkungen der Digitalisierung in anderen Branchen haben auch die meisten Chemie-CEOs für die Thematik sensibilisiert. "Die Entscheider haben erkannt, dass digitale Technologien das Potenzial haben, die Chemie-Wertschöpfungskette dauerhaft zu verändern - von Forschung und Entwicklung über die Lieferkette und Produktion bis hin zu Marketing und Vertrieb", sagt Philipp Leutiger, Partner von Roland Berger.
Herausforderung: Hype und Realität trennen
In einer Umfrage von Roland Berger gaben fast 60 Prozent der befragten Chemieunternehmen an, Bedarf für eine digitale Strategie zu haben. Gleichzeitig verfügt die Hälfte der Befragten über keine oder nur wenig Kompetenzen, um die Chancen der digitalen Transformation tatsächlich nutzen zu können. "Das ist aber entscheidend für Unternehmen, die wettbewerbsfähig bleiben wollen", erklärt Griese-Michels: "Es geht nicht nur darum, innovative Technologien anzuwenden. Vielmehr ist die zentrale Frage, wie Firmen die Realität vom Hype trennen können und wie sie die richtige Herangehensweise finden. Kurz: Was ist der Schlüssel zum Erfolg im digitalen Nebel."
Dabei haben Chemiekonzerne zwei Optionen: einerseits Evolution, also Anpassung der bestehenden Technologien und Strukturen, und andererseits Revolution, also komplette Veränderung der konventionellen Branchenstrukturen mit durchschlagenden Innovationen oder Prozessen. Laut der Roland-Berger-Umfrage haben rund zehn Prozent der Chemieunternehmen sich noch nicht entschieden, welche Möglichkeit sie wählen wollen; sie befinden sich noch in der Analysephase. Rund 70 Prozent gehen den evolutionären Weg mit einer schrittweisen digitalen Transformation. Die revolutionäre Variante ist dagegen für die meisten Firmen nicht passend und wird nur von einzelnen Unternehmen im Vertrieb genutzt.
Kombination aus Evolution und Revolution
Einen dritten und am meisten Erfolg versprechenden Weg sehen die Roland Berger-Experten in der Kombination aus Evolution und Revolution. Rund 20 Prozent der befragten Firmen lassen sich bisher hier einordnen, meist Spezialchemie-Unternehmen, die sich auf einzelne Abnehmerbranchen fokussieren. "Sie haben eine Vision, das heißt, sie erkennen, wo auf ihrer Wertschöpfungskette Chancen brachliegen und nutzen gezielt digitale Technologien, um einerseits evolutionär Verbesserungen voranzutreiben und andererseits in ausgewählten Bereichen neue revolutionäre Wettbewerbsvorteile zu erreichen", sagt Griese-Michels. "So bleiben sie in ihrer Branche führend und treiben gleichzeitig die Veränderung des Marktes in ihrem Sinne voran."
Das Problem: In der Chemiebranche mit ihrer großen Bandbreite an Produkten und Anwendungen gibt es keine allgemein gültige Vision und Handlungsanweisung für diesen Weg. Vielmehr muss jedes Unternehmen sein eigenes Bild von der Zukunft entwickeln und dann die richtigen Maßnahmen setzen, um es zu erreichen. Dafür ist eine systematische Herangehensweise sehr hilfreich.