Röntgenblick zeigt Verschleiß von Plastiksolarzellen

12.10.2016 - Deutschland

Mit dem scharfen Röntgenblick von DESYs Forschungslichtquelle PETRA III haben Wissenschaftler der Technischen Universität München den Verschleiß von Plastiksolarzellen beobachtet. Die Untersuchung liefert einen Ansatz für eine verbesserte Herstellung, um die Langzeitstabilität solcher organischen Solarzellen zu erhöhen. Das Team um Prof. Peter Müller-Buschbaum stellt seine Beobachtungen in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals „Advanced Energy Materials“ vor.

Christoph Schaffer / TU München

Die innere Struktur der aktiven Schicht der untersuchten Solarzelle ohne Lösungsmittel (links), mit Lösungsmittel (Mitte) und nach Lösungsmittelverlust im Betrieb (rechts).

Anders als bei konventionellen Solarzellen aus Silizium wird der Strom in organischen Solarzellen in einer aktiven Mischschicht aus zwei kohlenstoffbasierten Materialien erzeugt. Ist eines davon ein Polymer, spricht man oft von Plastiksolarzellen. Diese sind besonders vielversprechend, weil ihre Herstellung sehr kostengünstig und einfach ist. So lassen sich extrem leichte, biegsame und sogar halbtransparente Solarzellen über Druckverfahren auf flexiblen Kunststoffmaterialien erzeugen und damit vollkommen neue Anwendungsgebiete erschließen. Organische Solarzellen sind in der Regel allerdings weniger effizient in der Umwandlung von Sonnenlicht in elektrische Energie als siliziumbasierte, und sie haben bisweilen eine kürzere Lebensdauer.

Die innere Struktur der aktiven Schicht ist für organische Solarzellen von zentraler Bedeutung. Bei der Herstellung müssen sich die beiden Materialien der aktiven Schicht aus einer gemeinsamen Lösung entmischen, ähnlich wie sich Öltropfen in Wasser bilden. „Es ist dabei wichtig, dass sich Plastikdomänen mit einer Größe von wenigen zehn Nanometern formen“, betont der Hauptautor der Studie, Christoph Schaffer, Doktorand aus der Gruppe von Müller-Buschbaum. „Nur so können in der aktiven Schicht effizient positive und negative Ladungsträger erzeugt und auch voneinander getrennt werden. Ist die Struktur zu grob oder zu fein, funktioniert dieser Prozess nicht mehr, und die Solarzelle verliert an Effizienz.“ Ein Nanometer ist ein millionstel Millimeter.

In modernen Plastiksolarzellen werden häufig sogenannte Low-bandgap-Polymere verwendet, die besonders viel Licht absorbieren. Sie benötigen oft während der Herstellung einen Lösungsmittelzusatz, um hohe Wirkungsgrade zu erreichen. Dieser Zusatz ist umstritten, weil er die Lebensdauer der Solarzellen weiter senken könnte.

Mit DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III haben die Wissenschaftler den Verschleiß solcher Low-bandgap-Plastiksolarzellen mit Lösungsmittelzusatz näher untersucht. Dazu wurde eine solche Solarzelle in einem Sonnenlichtsimulator mit sonnenähnlichem Licht beleuchtet und kontinuierlich auf ihre elektrischen Kenndaten vermessen. Gleichzeitig durchleuchteten die Forscher die Solarzelle zu unterschiedlichen Zeiten mit dem scharf fokussierten Röntgenstrahl von PETRA III. Somit konnten sie sich im Abstand von einigen Minuten ein Bild von der inneren Struktur der aktiven Schicht auf der Nanometerskala machen. „Mit diesen Messungen lassen sich Struktur und Leistungsdaten der Solarzelle verknüpfen und im Verlauf der Zeit verfolgen“, erläutert Ko-Autor Prof. Stephan Roth, Leiter der DESY-Messstation P03, an der die Versuche stattfanden.

„Die Daten zeigen, dass Domänen auf der Längenskala von wenigen zehn Nanometern während des Betriebs stark schrumpfen, und ihre geometrischen Grenzen zu der anderen Komponente verschwinden“, sagt Schaffer. Gleichzeitig liefern die Messungen Hinweise darauf, dass der Restgehalt an Lösungsmittelzusatz sinkt. Auf diese Beobachtungen führen die Wissenschaftler den gemessenen Effizienzverlust der Solarzelle zurück.

„Da es Indizien dafür gibt, dass der Restgehalt des Lösungsmittelzusatzes sinkt, müssen wir davon ausgehen, dass dieser Prozess die Lebensdauer der Solarzellen limitieren kann“, erläutert Müller-Buschbaum. „Es ist daher unabdingbar, nach Strategien zur Verfestigung der Struktur zu suchen. Dies könnte etwa durch chemische Vernetzung der Polymerketten oder durch maßgeschneiderte Verkapselungsmaterialien bewerkstelligt werden.“

Die Münchner Forscher hatten in einer vorangegangenen Studie bereits den Verschleiß eines anderen Typs von Polymersolarzellen beobachtet. Bei dieser Solarzellenart zeigte sich, dass die Effizienz dadurch sank, dass die aktiven Zentren im Laufe des Betriebs wuchsen. Das legte nahe, solche Solarzellen mit einer eigentlich suboptimalen, etwas zu feinen Struktur herzustellen, die in den ersten Betriebsstunden dann zur optimalen Größe heranwächst.

An diese Arbeit knüpft die neue Untersuchung an. „In unserer ersten Studie konnten wir sehen, dass die Effizienz durch eine Vergröberung der Struktur sinkt“, berichtet Schaffer. „In der aktuellen Studie passiert genau das Gegenteil. Dieses Verhalten entspricht ganz unseren Erwartungen, weil die Zusammensetzung der aktiven Schicht anders ist. Die Materialien in der ersten Studie tendieren dazu, stark zu entmischen. Hier ist nun das Gegenteil der Fall und man braucht den Lösungsmittelzusatz, um die benötigte Entmischung der Materialien für hohe Effizienzen zu erzeugen. Verschwindet im Betrieb der Lösungsmittelzusatz, verfeinert sich die Struktur wieder und entfernt sich damit von ihrem Optimum.“

Beide Untersuchungen liefern wichtige Ansätze für eine gezielte Optimierung der Produktion organischer Solarzellen, wie Koautor Roth betont: „Das Zusammenspiel der beiden Studien ist ein sehr schönes Beispiel dafür, wie Messungen mit Synchrotronstrahlung auf der atomaren Skala wichtige Erkenntnisse für die Forschung gerade in anwendungsnahen Gebieten wie dem der erneuerbaren Energien liefern können.“

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