Moleküle mit Schalter: Neue Werkzeuge für die superauflösende Mikroskopie

06.02.2017 - Deutschland

Bayreuther Wissenschaftler berichten in Scientific Reports über das zielgerichtete Schalten einzelner photochromer Moleküle. Die neuen Erkenntnisse eröffnen der Forschung neue Möglichkeiten, um die Strukturen von komplexen Molekülen aufzuklären.

Grafik: Johannes Maier M.Sc.

Ein photochromes Molekül kann wie ein Lichtschalter durch einen Laserstrahl ein- oder ausgeschaltet werden. Von der Wellenlänge hängt es ab, welche von zwei möglichen Strukturen das Molekül annimmt.

Photochrome Moleküle im Fokus der Grundlagenforschung

Schon seit geraumer Zeit befasst sich die Grundlagenforschung mit photochromen Molekülen. Ähnlich wie der Schalter eines elektrischen Geräts in die „Ein“- oder in die „Aus“-Position versetzt werden kann, lässt sich ein photochromes Molekül so steuern, dass es zwischen zwei Zuständen hin- und herwechselt. Diese Steuerung geschieht durch Licht. Von der Wellenlänge des Lichts, das auf das Molekül trifft, hängt es ab, welche von zwei möglichen Strukturen das Molekül annimmt. Schon länger ist bekannt, wie sich dieser Wechsel zwischen zwei Zuständen sichtbar machen lässt – nämlich dadurch, dass das photochrome Molekül mit stark fluoreszierenden Molekülen gekoppelt wird. Nur wenn es sich in der „Ein“-Position befindet, leuchten seine Partnermoleküle, die sogenannten Fluorophore, kräftig auf.

Vor diesem Hintergrund sind photochrome Moleküle nicht zuletzt für die superauflösende optische Mikroskopie von großem Interesse. Denn um Strukturen mit einem optischen Mikroskop sichtbar machen zu können, die kleiner als 200 Nanometer sind, benötigt die Forschung einzelne Moleküle, die in der Lage sind, zwischen einem sichtbaren „Ein“- und einem „Aus“-Zustand hin- und herzuwechseln. Diese Moleküle können dann wie Sonden in die zu untersuchenden Strukturen eingeführt werden, die es sichtbar zu machen gilt. Besonders vorteilhaft ist es, wenn der Wechsel zwischen den beiden Zuständen nicht bloß zufällig eintritt, sondern im Labor gezielt hervorgerufen werden kann. Photochrome Moleküle scheinen daher – zunächst einmal – ideale Werkzeuge zu sein, um Fortschritte in der superauflösenden Mikroskopie voranzutreiben. Der lichtgesteuerte Wechsel zwischen zwei klar definierten, sichtbaren Zuständen ließe sich so auf der Ebene von Einzelmolekülen und damit im kleinstmöglichen Maßstab ausnutzen.

Spontanes Blinken oder gezielte Steuerung durch Licht?

Allerdings gibt es ein grundsätzliches Problem, das dieser Anwendung im Weg steht. Die Fluorophore, die an ein photochromes Molekül gekoppelt sind und dessen Zustandswechsel anzeigen, haben die Eigenschaft, dass sie auch spontan aufleuchten – unabhängig davon, im welchem Zustand sich das photochrome Molekül befindet. Dieses Phänomen wird in der Forschung als ‚stochastisches Blinken‘ bezeichnet. Solange es aber völlig unsicher ist, ob das Aufleuchten der Fluorophore in dieser Weise zufällig geschieht oder durch eine Strukturänderung des photochromen Moleküls verursacht wird, kann man das „Ein“- und „Ausschalten“ dieses Moleküls nicht zielgerichtet hervorrufen. Man gewinnt dann für die superauflösende optische Mikroskopie keinen Vorteil gegenüber den heute überwiegend verwendeten Farbstoffen.

An genau diesem Punkt ist die Forschergruppe um Prof. Dr. Jürgen Köhler und Prof. Dr. Mukundan Thelakkat an der Universität Bayreuth jetzt einen entscheidenden Schritt weitergekommen. Sie hat das stochastische Blinken der Fluorophore einerseits und ihr Aufleuchten im Falle einer Strukturänderung des photochromen Moleküls andererseits genauer untersucht. Dabei konnten die Wissenschaftler feststellen, dass das Aufleuchten durch eine Betätigung des ‚Schalters‘ – nämlich einen gezielten Lichtstrahl auf das photochrome Molekül – mit einer Wahrscheinlichkeit zwischen 70 und 90 Prozent ausgelöst wurde. In einigen speziellen Fällen lag diese Wahrscheinlichkeit sogar bei 95 Prozent. „Dieser Forschungserfolg war nur möglich, weil Experimentalphysiker und Polymerchemiker auf dem Bayreuther Campus eng zusammenarbeiten“, freut sich Prof. Köhler. „So konnten wir gemeinsam neue Molekülverbindungen in relativ kurzer Zeit entwerfen, synthetisieren und im Hinblick auf ihre photophysikalischen Eigenschaften testen.“

Die Bayreuther Forscher haben ihre jetzt in „Scientific Reports“ veröffentlichten Ergebnisse durch Untersuchungen an einer solchen neuen Molekülverbindung erzielt. Hierbei handelt es sich um eine Triade, ein Dreierbündnis von Molekülen. Im Zentrum befindet sich ein photochromes Molekül, genauer: ein Molekül aus der Gruppe der Dithienyl-Cyclopentene (DCP). Die chemische Bezeichnung lautet „1,2-bis(2-methyl-5-phenyl-3-thenyl-perfluorocyclopenten“. An dieses Molekül sind, zwei Armen ähnlich, zwei stark fluoreszierende Moleküle aus der Gruppe der Perylenbisimide (PBI) angehängt.

Auf dem Weg zu neuen bildgebenden Systemen

Einzelne photochrome Moleküle können jetzt nicht nur mit Licht ein- und ausgeschaltet werden, sondern die dadurch erzielten sichtbaren Effekte lassen sich erstmals auch mit hoher Wahrscheinlichkeit als solche identifizieren. Dadurch eröffnen sich neue Anwendungsmöglichkeiten in der Forschung. „Die neuen Triaden können beispielsweise wertvolle Unterstützung leisten, wenn es darum geht, die Strukturen von komplexen Molekülen – beispielsweise auch von biologischen Systemen – aufzuklären“, erläutert Prof. Köhler. „Die Vergabe des Chemie-Nobelpreises 2014 an Eric Betzig, William E. Moerner und Stefan Hell hat den internationalen Stellenwert dieses Forschungsgebiets, auf dem Physiker und Chemiker kooperieren, erneut deutlich gemacht“, so der Bayreuther Physiker.

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