Der Mann aus dem Eis: Forscher beweisen Stabilität von genetischen Markern
microRNAs können auch nach 5300 Jahren noch stabil sein
Andreas Keller, Universität des Saarlandes
Die im Jahr 1991 in den Ötztaler Alpen in Südtirol gefundene Gletschermumie ist nicht nur unter Namen wie „Der Mann aus dem Eis“ und „Ötzi“ bekannt, es existieren auch eine Reihe wissenschaftlich gesicherte Fakten: Durch bildgebende Verfahren weiß man von seinen Abnutzungserscheinungen an der Lendenwirbelsäule und einer tödlichen Pfeilwunde an der linken Schulter. Analysen seines Erbgutes zeigten, dass Ötzi keinen Milchzucker verdauen konnte, braune Augen und die Blutgruppe 0 hatte. Nun liegt auch eine Studie über die microRNAs des Ötzi vor. MicroRNAs sind sehr kleine Stücke der Ribonukleinsäure und spielen eine zentrale Rolle bei der Regulierung von Genen.
Obwohl diese Moleküle im Gewebe sehr stabil sind, war bis zu der aktuellen Studie unklar, ob sie auch über Zeiträume von mehreren tausend Jahren in menschlichen Geweben nachgewiesen werden können. Daher nahmen sich die Professoren Andreas Keller und Eckart Meese von der Universität des Saarlandes, Stephanie Kreis von der Universität Luxemburg sowie Professor Albert Zink und Frank Maixner von EURAC Research in Bozen der Herausforderung an. Sie analysierten nicht nur Gewebeproben des Mannes aus dem Eis, sondern auch die einer Mumie eines im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten.
„Unsere Untersuchung liefert den Beweis, dass wir microRNA sogar noch nach mehreren tausend Jahren analysieren können“, erklärt Andreas Keller, Professor für Klinische Bioinformatik an der Universität des Saarlandes, der die die Studie koordinierte. Dabei untersuchten die Wissenschaftler Proben aus der Haut, dem Magen und dem Mageninhalt des Ötzi. „Es war eine Herausforderung, dieses genetische Material in nennenswerten Mengen und ausreichender Qualität aus den mumifizierten Gewebeproben zu extrahieren und es mit neusten, sehr exakten Methoden zu messen und zu quantifizieren”, berichtet Stephanie Kreis, die an der Universität Luxemburg die microRNAs isoliert hat. So habe man einige Moleküle gefunden, die vorwiegend in diesem alten Gewebe vorhanden sind. Umgekehrt konnten einige der Biomarker, bekannt aus der heutigen Zeit, bei Ötzi nicht nachgewiesen werden.
Laut Professor Zink von EURAC Research sind die microRNAs die nächste wichtige Molekülklasse, die bei Ötzi umfassend untersucht wurde. Professor Meese, Leiter des Instituts für Humangenetik an der Universität des Saarlandes, betont, dass die Stabilität dieser Biomarker auch für die heutigen Menschen wichtig sei. „Sie ist entscheidend für die Anwendung in der Klinik“, erklärt Meese. „Es ist offensichtlich, dass das Potenzial von microRNA viel größer ist, als wir bisher gedacht haben. Wir wissen noch nicht genug darüber, wie diese Moleküle spezifische Gene, ganze Genfamilien oder auch biochemische Reaktionswege beeinflussen. Wenn wir das noch mehr erforschen, können microRNAs eventuell zu neuen Stars in der Therapie werden. Bis dahin ist jedoch noch sehr viel zu tun“, lautet das Fazit von Professor Keller.
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