Mit mathematischen Simulationen Krebsgenen auf der Spur

30.06.2005

Siemens-Forscher haben ein mathematisches Rechenmodell entwickelt, mit dem sich krebsauslösende Gene identifizieren lassen. Damit liefert es entscheidende Informationen für die Entwicklung passgenauer Medikamente gegen verschiedene Tumortypen. Das erste Ergebnis der Forschungsarbeit ist die Identifizierung eines Gens, das eine Form der Leukämie auslöst. So lässt sich durch mathematische Simulationen die Anzahl teurer Experimente einschränken. Nicht jede Krebsart verrät sich direkt durch ein charakteristisches Merkmal. Es existieren unzählige Arten von Tumoren. Für die Mediziner aber ist es entscheidend, die Erkrankung exakt zu erkennen. Nur so können sie diese mit den richtigen Methoden und Medikamenten bekämpfen. Um den Tumor zu identifizieren, werden seit geraumer Zeit so genannte Biochips eingesetzt. Mit diesen wenige Quadratzentimeter großen Plättchen lässt sich die Krebsart anhand ihres genetischen Musters bestimmen.

Sichere Hinweise auf die genetische Ursache der Erkrankung geben diese Biochip-Analysen bislang allerdings kaum. Siemens-Forscher haben deshalb ein mathematisches Modell entwickelt, das die Aktivität der einzelnen Gene zueinander in Beziehung setzt. Mithilfe dieser statistischen Rechenprozedur lassen sich jene Gene dingfest machen, die wahrscheinlich als Auslöser der biochemischen Fehlfunktion in Frage kommen.

"Ein solches Gen nennen wir Schlüsselgen", sagte Privatdozent Dr. Martin Stetter, Projektleiter Bioanalogue Technologies & Solutions von Siemens Corporate Technology in München. "Es beeinflusst die Aktivität anderer Gene ganz entscheidend und bestimmt so, ob die Eiweißchemie in den Körperzellen in die falsche Richtung läuft." Ist das Schlüsselgen identifiziert, können sich Pharmaunternehmen auf die Suche nach neuen Wirkstoffen machen, die exakt den Übeltäter bekämpfen. Freilich lässt sich ein solches Schlüsselgen nicht an einem einzigen Biochip-Muster erkennen. Die Mathematiker fütterten ihr Programm "GeneSim" deshalb mit einer ganzen Reihe von leuchtenden Biochipmustern verschiedener Patienten, die an bestimmten Krebsarten und speziellen Krebstypen leiden. Aus dem Vergleich dieser Muster extrahiert das Programm schließlich die Schlüsselgene und den Wirkungsmechanismus der Gene - den so genannten Genpfad, also Schritt für Schritt jene hintereinander geschalteten Gene, die durch das schadhafte Schlüsselgen in die Irre geleitet werden.

Hat GeneSim die Muster erst einmal verstanden, kann es mit den Daten jonglieren. "Wir können zum Beispiel die Gabe von Medikamenten simulieren, die das Schlüsselgen oder andere Stationen im genetischen Pfad gezielt beeinflussen", sagte Stetter. Das Programm ermittelt dann, wie sich diese lokale Änderung auf das ganze Genmuster auswirkt. "Der Idealfall wäre es, die Zelle so zu beeinflussen, dass ihr Genmuster dem einer gesunden Zelle entspricht." Zwar wäre damit noch kein neues Medikament erfunden. Die Forscher wüssten aber, an welcher Stelle ein potenzieller Wirkstoff angreifen sollte, um den Patienten zu heilen. Den Sprung in die Pharmaindustrie hat GeneSim bereits geschafft. Im Rahmen einer Pilotstudie mit einem namhaften Arzneimittel-Hersteller wurde die Plattform erfolgreich eingesetzt.

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