Die Schweiz ist bekannt als einer der weltweit wichtigsten Forschungs- und Produktionsstandorte im Pharmamarkt. Im Ländervergleich sind jedoch deutsche Biotechfirmen, die sich auf die Medikamentenentwicklung konzentriert haben, in den frühen Forschungsphasen stabiler und wachstumsstärker. Dieses Ergebnis erbrachte eine aktuelle Analyse des Beratungsunternehmens Novumed. Die Untersuchung stützt sich auf unternehmensspezifische Daten kleiner und mittelständischer deutscher und schweizerischer Biotechfirmen und Interviews. Ein Untersuchungsgegenstand war die Entwicklung der Biotechfirmen im Marktsegment Therapeutika in den Jahren 2004 und 2005. Neben dem dominierenden Bereich Health Care bezog Novumed auch Biotechfirmen in die Untersuchung ein, die in den Segmenten Konsumentenprodukte, Landwirtschaft, Umwelt, Tiermedizin und Nanotechnologie tätig sind. Jörn Leewe, GeneralManager bei Novumed, erklärt: "Anhand einer neu entwickelten umfangreichen Datenbank können wir genaue Aussagen über dieTechnologien, die Forschungsprojekte sowie die Firmenneugründungen und -schließungen im Vergleich der beiden Länder machen. Unser Fokus richtete sich bei dieser Analyse auf laufende Projekte im Marktsegment Therapeutika. Wir untersuchten unter anderem die Verteilung der Biotechprojekte auf die einzelnen Entwicklungsphasen und auf Forschungsschwerpunkte." In Deutschland befinden sich insgesamt 56 Prozent (234 von 415) aller Projekte zur Entwicklung neuer Medikamente in der frühen Forschung, während es in der Schweiz aktuell nur 27 Prozent (42 von 158) sind. "Zwar haben Schweizer Biotechfirmen bei den klinischen Entwicklungsphasen und den bereits am Markt befindlichen Produkten mit rund 40 Prozent immer noch einen großen Anteil ihrer Forschungsprojekte vorzuweisen", erläutert Leewe. "Allerdings haben sich die deutschen Firmen in den letzten beiden Jahren deutlich besser entwickelt." Verfolgt man im Zeitraum 2004 bis 2005 die Zu- und Abnahme der Projekte zur Medikamentenentwicklung, so sind die deutschen Biotechfirmen in allen Forschungsphasen besser gestellt. Die Gesamtzahl aller Forschungsprojekte im Bereich Therapeutika reduzierte sich in der Schweiz um 25 Prozent von insgesamt 211 auf 158. In Deutschland dagegen bleibt die Forschungsaktivität auf gleichem Niveau. Hier reduzierte sich die Zahl aller Forschungsprojekte nur um 2 Prozent von insgesamt 425 Projekten auf 415. Schweizer Firmen reduzierten ihre frühen Forschungsprojekte dabei um 39 Prozent, Deutsche dagegen nur um 10 Prozent. Die Aktivitäten innerhalb der präklinischen Phase nahmen in der Schweiz um 26 Prozent ab. In Deutschland legten sie dagegen sogar um 21 Prozent zu. Dazu erklärt JörnLeewe: "Bei unseren Untersuchungen fiel uns eine stärkere Kooperationsaktivität der deutschen Biotechfirmen mit etablierten Pharmafirmen auf. Während deutlich mehr als ein Drittel aller deutschenBiotechfirmen Kooperationen mit einem oder mehreren Partnern unterhalten, konnten nur rund ein Viertel der Schweizer Biotechunternehmen auf Erfolg versprechende Kooperationen verweisen. Bei den Schweizer Biotechfirmen reduzierte sich die Pipeline drastisch. Deutsche Firmen dagegen können sich aufgrund stabiler Forschungs- und Kooperationsaktivitäten vor allem in den frühen Forschungsphasen behaupten. Dadurch könnten sie langfristig für Pharmafirmen und Investoren interessanter werden." Deutschland forscht vor allem auf dem Gebiet der Onkologie (31 Prozent aller Projekte), gefolgt von entzündlichen Erkrankungen (13 Prozent) und neurologischen Erkrankungen (10 Prozent). Jörn Leewe erklärt: "Ein Drittel der Forschungsprojekte deutscher Biotechfirmen konzentrieren sich auf Krebserkrankungen. Daneben rücken aber auch metabolische Erkrankungen, sprich Erkrankungen des Stoffwechsels, in den Fokus deutscher Biotechfirmen. Deren Anteil konnte in den Jahren 2004 und 2005 von zwei auf fünf Prozent ausgebaut werden." Auch in der Schweiz liegt der Schwerpunkt auf Onkologie (19 Prozent). Danach folgen Infektion und entzündliche Erkrankungen, beide 16 Prozent. Weitere Forschungsschwerpunkte sind Cardiovaskuläre Erkrankungen, Hauterkrankungen und Schmerz. Seit 2004 wurden in Deutschland 24 und in der Schweiz 11 neue Firmen gegründet. Die relativ stabileForschungsleistung in Deutschland beruht allerdings nicht auf Firmenneugründungen, sondern bereits existierende Unternehmen sind in den frühen Forschungsphasen und in der präklinischen Phase besonders aktiv. Von den 24 Neugründungen bieten nur vier Firmen Therapeutikaentwicklungen an. Alle neuen Unternehmen bieten allerdings Serviceleistungen an. Die Art derServiceleistung bezieht sich in Deutschland in der Mehrheit aufKits/Reagenzien, gefolgt von Analysen, Bioinformatik und High-Throughput-Screening, danach Vertragsproduktion, Gewebekulturen und Service in Entwicklung. Jörn Leewe führt aus: "In Deutschland existieren zurzeit insgesamt fast drei Mal mehr Biotechfirmen als in der Schweiz. Gemessen an dieser Vielzahl, gaben mit 70 Firmenschließungen nur 13 Prozent der deutschen Biotechfirmen auf. Im Vergleich zur Schweiz rangiert Deutschland damit ungefähr auf gleichem Niveau, denn dort mussten 18 Firmen (11 Prozent) ihre Aktivitäten beenden."