Wissenschaftler weisen erstmals unterirdische "Autobahnen" für Bakterien nach
Interesse von Mikrobiologe Dr. Lukas Y. Wick gilt den Bakterien im Boden. Bakterien können den menschlichen Organismus schwächen - sie können aber auch nützliche Helfer sein, indem sie beispielsweise Schadstoffe abbauen. "Für das Bakterium ist der Schadstoff kein Schadstoff", erzählt Lukas Wick. "Es zersetzt die Kohlenstoffverbindung einfach und erzeugt so die Energie und die Stoffe, die es zum Leben braucht." Doch dazu müssen sie erst einmal an ihr "Futter" kommen. Luft oder mangelnde Feuchtigkeit stellen dabei unüberwindbare Hindernisse dar. "Das ist auch der Grund, weshalb gewisse Schadstoffe so schlecht im Boden abgebaut werden. Es ist häufig nicht ein Mangel an biochemischer Kapazität sondern ein Mangel an Kontakten." Deshalb untersuchen die Wissenschaftler vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung die Wanderwege der Bakterien.
Eine Art Autobahn für Bakterien scheinen Pilzgeflechte im Boden zu sein. Zu diesem Schluss kommen die Forscher um Lukas Wick. Im Laborversuch gelang es ihnen nachzuweisen, dass die Bakterien sich am Pilzgeflecht durch den Boden bewegen. Die Zutaten: ein Schadstoff, Trennschichten aus Glaskugeln, unbelasteter Boden und ein Bakterium namens Pseudomonas putida. Durch alle diese Schichten mussten sich die Bakterien durchkämpfen, um an ihr "Futter" Phenanthren zu kommen. Dieser polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoff ist ein weit verbreiteter Schadstoff, der bei jedem Verbrennungsprozess auftaucht: an Tankstellen, in Autoabgasen, bei Waldbränden, im Zigarettenrauch oder bei alten Stadtgaswerken. "Wir lassen die Bakterien bewusst gegen die Schwerkraft nach oben gehen, damit man nicht sagen kann: Es könnte ein bisschen Wasser sein, das nach unten läuft und die Bakterien mitschleppt", sagt Lukas Wick. "Wir haben versucht, alle Zweifel und Einwände möglicher Kritiker auszuschließen." Nach oben geschafft haben die Bakterien es nur dort, wo sich ein Pilzgeflecht durch den Boden zog. Im identischen Parallelversuch ohne Pilzgeflecht konnten die Bakterien die Barrieren dagegen nicht überwinden. "Mit diesem Artikel haben wir gezeigt: Es gibt eine Infrastruktur."
Ziel der Helmholtz-Forscher ist es, in Zukunft mikrobielle Landschaften darzustellen und zu untersuchen, was passiert unter welchen Einflüssen. Ein Hilfsmittel wird dabei zum Einsatz kommen, das auch schon geholfen hat, die Ausbreitung der Tollwut oder die Verbreitung wiederangesiedelter Tierarten vorherzusagen. Die ökologische Modellierung kann künftig auch Prognosen über die Verbreitung von Bakterien liefern. Mit diesem Wissen wird es leichter, schadstoffbelastete Gebiete zu sanieren. Die "Pilzautobahn" ist dann vielleicht nicht nur die größte der Welt sondern auch die einzige, die der Natur zurück zum ursprünglichen Zustand hilft.
Originalveröffentlichung: "Effect of Fungal Hyphae on the Access of Bacteria to Phenanthrene in Soil"; Environ. Sci. Technol. 2007, 41, 500-505.
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