Atomarer Regenbogen: Ultrakurzer Laserblitz erzeugt Attosekunden-Röntgenlicht
Atome, die diesem extremem Lichtpuls ausgesetzt sind, senden einen Attosekunden-Röntgenpuls aus, dessen Spektrum - übertragen auf niedrigere Frequenzen - beinahe ebenso viele Farben wie sichtbares Lichts umfasst, angefangen bei Blau über Grün und Gelb bis hin zum Rot. Der resultierende "weiße" Puls hat erwartungsgemäß eine Dauer von etwa 100 Attosekunden und enthält mehr als eine Million Röntgenphotonen. Er ist daher kurz genug, um die Bewegung der auf Molekül-Orbitalen umlaufenden Elektronen einzufangen. Über die Echtzeitbeobachtung der Elektronen, die Atome aneinander binden, wird man wertvolle Einsichten gewinnen, wie es zur Bildung und zum Auseinanderfallen von Molekülen kommt.
Das Forscherteam hat es nun geschafft, intensive Blitze von sichtbarem Laserlicht zu erzeugen, bei denen mehr als die Hälfte der Energie innerhalb eines einzigen Schwingungszyklus steckt. Mit dieser einzelnen Feldschwingung großer Amplitude kann man auf geladene Teilchen wie Elektronen gezielt eine extrem starke Kraft ausüben und damit deren Bewegung in und um die Atome mit noch nie da gewesener Präzision steuern.
Auf dem Maximum dieser hochintensiven Wellenschwingung ist die Kraft stark genug, um ein Elektron mit fast hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit vom Atom wegzuziehen, wobei das Elektron eine Geschwindigkeit von mehreren Tausend Kilometern pro Sekunde erreicht. Aber selbst mit dieser hohen Geschwindigkeit kommt das freigesetzte Elektron nur einige Nanometer weit, bevor es während der zweiten Hälfte der Lichtschwingung, die eine Kraft in die entgegengesetzte Richtung ausübt, gezwungen wird, zum Mutteratom zurückzukehren. Bei dieser so genannten Rekombination, die bereits etwa zwei tausend Attosekunden nach der Freisetzung des Elektrons stattfindet, sendet das Atom einen Röntgenpuls aus.
In einem konventionellen Laserpuls, der aus vielen Schwingungen besteht, tritt dieser Prozess der Rekombination und Röntgenemission mehrere Male auf, einmal während jedes halben Wellenzyklus. In starkem Gegensatz dazu erlaubt der nun erzeugte hochintensive und extrem kurze Laserpuls nur eine einzige hochenergetische Rekombination. Das Spektrum des dabei emittierten Lichtpulses liegt zwar im Bereich des weichen Röntgenlichts, ist aber, was seine spektrale Vielfalt betrifft, äquivalent zum gesamten sichtbaren Spektrum. Daher kann der erzeugte Puls als "weißes" Röntgenlicht betrachtet werden. Der hyperkurze Laserpuls wird auf einen Gasjet geschickt und setzt dort den Vorgang der Freisetzung und Rekombination von Elektronen bei einer großen Zahl von Atomen im Gleichtakt in Gang. Die einzelnen Atome senden dann alle zur gleichen Zeit und auf gleiche Weise einen ultrakurzen Röntgen-Blitz aus, und erzeugen so kollektiv einen leistungsstarken Röntgenpuls in Form eines stark gebündelten, laserartigen Strahls.
Durch die Filterung des zentralen Bereichs vom erzeugten "weißen" Röntgenspektrum konnte das Team einen Röntgenpuls mit einer Dauer von 170 Attosekunden erzeugen. Dieses Ergebnis lässt vermuten, dass man bei Verwendung des gesamten, doppelt so breiten Spektrums Röntgenpulse erzeugen kann, die erheblich kürzer als 100 Attosekunden sind. Gegenwärtig wird an der Entwicklung von Spiegeln gearbeitet, die Röntgenstrahlen aus diesem Frequenzbereich reflektieren und fokussieren können. Mit solchen Spiegeln lässt sich wahrscheinlich die erste Lichtquelle der Welt verwirklichen, die leistungsstarke laserartige Röntgen-Blitze mit einer Dauer von weniger als hundert Attosekunden erzeugt - die erste Quelle für die Produktion von sub-100-Attosekunden-Licht.
Solche Röntgenpulse werden es den Forschern erstmals erlauben, von der Bewegung der Elektronen in Molekülen gewissermaßen "Standbild"-Schnappschüsse zu machen. Dies wird es ermöglichen, Prozesse zu beobachten, die den Informationstransfer auf molekularer Ebene steuern, sowie auch Strukturveränderungen von Biomolekülen. Diese Schnappschüsse werden auch aufzeigen, wo die ultimativen Grenzen für die Geschwindigkeit und die Struktur in elektronischen Bauelementen liegen. Sie werden ferner die Mechanismen des biologischen Informationstransfers und die mikroskopischen Ursprünge der Funktionen und Fehlfunktionen biologischer Makromoleküle offenbaren.
Originalveröffentlichungen: A. L. Cavalieri et al., New J. Phys. 2007, 9, 242.
M. Schultze et al., New J. Phys. 2007, 9, 243.
E. Goulielmakis et al., Science 2007, 317.