Speichel - Diagnostisches Medium der Zukunft

Symposium zum Deutschen Zahnärztetag Düsseldorf 2007

18.09.2007

Speichel - igitt - wer mag sich mit so einem ekelhaften Schleim überhaupt beschäftigen - Zahnärzte gezwungenermaßen durch ihren von der Öffentlichkeit gleichfalls nicht besonders geliebten Beruf vielleicht? In Wahrheit ist Speichel als Produkt der großen, paarig angelegten Kopfspeicheldrüsen und vieler, in der Mundhöhle verteilten, kleinen Speicheldrüsen, eine in ihrer Bedeutung bisher weithin unterschätzte und bislang nahezu unentdeckte Körperflüssigkeit mit großem diagnostischen Potential. Betrachtet man den derzeitigen Trend, so sieht es so aus, als ob Speichel sogar dem Blut den bevorzugten Rang als diagnostisches Fenster zu den Vorgängen im Körperinneren streitig machen könnte.

Dies kommt vor allem daher, dass Speichel so problemlos und ohne invasive Maßnahmen zu gewinnen ist. Der Patient muss nur spucken. Das ist etwas, was jeder kann und was keine Mühe oder Überwindung kostet - und es ist billig. Kleinste Mengen genügen dafür. In der modernen Kriminalistik beispielsweise kann von der Rückseite einer abgeleckten Briefmarke oder vom Verschluss eines Briefumschlags die gesamte genetische Information einer Person in Form eines untrüglichen genetischen Fingerabdrucks abgelesen werden. In den Medien erfährt man immer häufiger, dass Täter aufgrund einer großangelegten Massenuntersuchung, bei der lediglich eine Speichelprobe abgegeben werden musste, aus vielen Tausenden von Individuen erfolgreich identifiziert und überführt worden konnten.

Speichel wird in der Medizin schon vielfach genutzt, zum Beispiel zur Diagnose von Stoffwechselerkrankungen oder zur Messung von Hormon- und Medikamentenspiegeln, was durch die Sportmedizin in der letzten Zeit leider eine traurige Berühmtheit erlangt hat. In den USA befinden sich sogar bereits kleine handgehaltene mikroelektronische Messgeräte in Entwicklung, die es in Zukunft auch einer Privatperson erlauben sollen, Erkrankungen wie Diabetes oder sogar Krebs frühzeitig zu entdecken. Darüber hinaus wird derzeit von der amerikanischen nationalen Gesundheitsbehörde, gesponsert durch ein Multimillionen Dollar wissenschaftliches Förderprojekt, die vollständige Entschlüsselung der im Speichel vorhandenen Proteine, des sogenannten Speichelproteoms, vorangetrieben. Man erhofft sich dort viel vom Speichel und so ist unsere Spucke plötzlich und unverhofft auch bei uns in Mode gekommen.

Um diesem Trend Rechnung zu tragen, lässt die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ein Symposium mit dem Titel "Speichel - Diagnostisches Medium der Zukunft" ausrichten. Namhafte Referentinnen und Referenten aus verschiedenen Sparten der Humanwissenschaften möchten dort den neuesten Stand und die künftigen Perspektiven der Speichelforschung einem breiteren, interessierten Publikum zugänglich machen. Dabei geht es um die für die Mundhöhle und die Zähne so wichtige schützende Wirkung des Speichels, der die oralen Hart- und Weichgewebsoberflächen mit einem dünnen Film, der sogenannten Pellikel überzieht. Es wird eingegangen auf die vielfältigen Inhaltsstoffe der Mundflüssigkeit, auf die Bedeutung des Speichelproteoms, und mögliche Bedeutung für die Diagnostik allgemeinmedizinischer Erkrankungen aber natürlich auch auf die für den Zahnarzt so wichtige Früherkennung eines Karies- oder Parodontitisrisikos. Auch pharmakologische und toxikologische Aspekte der Speicheldiagnostik werden erörtert und der umstrittene Nachweis von Quecksilber aus Amalgamfüllungen wird wissenschaftlich hinterfragt. Besonders spannend wird es beim Einsatz von Speichelanalytik in der Anthropologie, wo es darum geht, unsere Verwandtschaftsbeziehungen zu Höhlenmenschen zu erforschen. Schließlich werden die Erkrankungen der Speicheldrüsen aus der Sicht des Pathologen dargestellt wobei ein besonderer zusätzlicher Schwerpunkt auf das für viele Patienten so lästige Symptom der Mundtrockenheit und besonders auf das zum rheumatischen Formenkreis gehörige Sjögren-Syndrom gelegt wird.

Das Symposium will dazu beitragen, die Wahrnehmung und die große Bedeutung dieser gerade für den Zahnarzt so wichtigen Körperflüssigkeit in Wissenschaft, Praxis und Öffentlichkeit zu fördern.

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