Deutsche Chemieindustrie baut Produktionskapazitäten um durchschnittlich 4 bis 5 Prozent aus

Stellenwert von Logistik-Kooperationen noch unterschätzt

14.04.2008

Unbeeindruckt vom hohen Eurokurs, der Finanz- und Immobilienkrise in den USA sowie den Rekordniveaus der Preise auf den internationalen Rohstoffmärkten befindet sich die deutsche Chemieindustrie weiter auf klarem Wachstumskurs. Mit 66% prognostiziert das Gros der Chemiemanager eine bis zu 10%-ige Kapazitätsausweitung. 18% werden ihre Produktionskapazitäten im Jahr 2008 voraussichtlich um bis zu 15% steigern, 9% liegen sogar noch darüber. Eine rückläufige Entwicklung wird lediglich von 1% vorhergesagt. Zu diesen Ergebnissen kommt für den März das Trendbarometer CHEMonitor, eine Panel-Befragung, an der sich regelmäßig rund 300 Entscheider der deutschen chemischen Industrie beteiligen. Durchgeführt wird die Erhebung in Kooperation von CHEManager und Droege & Comp.

Über 20 Prozent der Chemiemanager beklagen Produktionsengpässe

Grund für die Kapazitätserweiterungen sind hohe Nachfrageüberhänge am Markt: So berichten 18% der CHEMonitor-Befragten von zumindest drohenden Produktionsengpässen, 21% der Befragten geben sogar an, aktuell Produktionsengpässe zu haben. Damit avanciert die professionelle Engpasssteuerung in den Chemie-Unternehmen derzeit zum Erfolgsfaktor. "Bei einem Engpass in der Produktherstellung gilt es, zwischen individuellem Wertbeitrag, Lieferfristen und Kundenhierarchien zu priorisieren", sagt Juan Rigall, Geschäftsführender Partner des Beratungshauses Droege & Comp. "Um in diesen Situationen die optimale Lösung für das Unternehmen zu finden, ist es auf der einen Seite wichtig, Transparenz über Produktkosten und -deckungsbeiträge zu schaffen und auf der anderen Seite unumgänglich, eine klare Hierarchie bei der Belieferung der Kunden zu definieren, und zwar auf jeder Stufe der Wertschöpfungskette.

Weiterhin positive Impulse für mehr Beschäftigung

Nach ersten positiven Anzeichen für mehr Beschäftigung in der letzten CHEMonitor-Befragung vom Dezember 2007 bestätigt die aktuelle März-Befragung diesen Trend. 30% der Befragten wollen in den nächsten 12 Monaten Personal einstellen und lediglich 14% - so wenig wie seit November 2006 nicht mehr - ihren Personalstamm reduzieren. Keine Veränderung erwartet hingegen mit 53% etwas mehr als die Hälfte der Befragten. Die Funktionen Produktion und Vertrieb profitieren am stärksten vom Personalaufbau, mit jeweils 44%, direkt gefolgt von Marketing (28%) sowie Forschung und Entwicklung (25%). Die Prognose der Personalentwicklung zeigt, dass mit 30% die Mehrzahl der Unternehmen 1 bis 5% mehr Mitarbeiter einstellen möchten, 17% bis zu 6 bis 10% und 15% sogar mehr als 10% mehr. Demgegenüber stehen lediglich 13%, die ihr Personal um 1 bis 5% verringern wollen, und 11 %, die ihre Mitarbeiterzahl um weniger als 1 % reduzieren möchten. Die positiven Impulse für den Arbeitsmarkt überwiegen demnach klar.

Erstmals schlechtere Prognose für die Standortbedingungen

Die Chemiemanager zeigen sich in ihrer aktuellen Bewertung der deutschen Standortbedingungen unbeeindruckt von der Inflationsentwicklung und den oben aufgezeigten makroökonomischen Risiken. Das ergibt die Detailauswertung der aktuellen CHEMonitor-Befragung. Demnach ergibt sich seit mehr als einem halben Jahr ein einheitlich positives Bild: ca. 80% des CHEMonitor-Experten-Panels attestieren dem deutschen Chemiestandort "eher gute" oder "gute" Bedingungen.

Die künftige Entwicklung des Chemieumfelds wird hingegen unerwartet negativ eingeschätzt: Hatten in der Dezember-Befragung noch 6% für "sich verbessernde" und 60% für "gleich gut bleibende" Standortbedingungen votiert, so prognostizieren jetzt nur noch 3% "sich verbessernde" bzw. 44% "gleich gut bleibende" Bedingungen. 34% der Befragten glauben sogar an "sich verschlechternde" Rahmenbedingungen für den Chemiestandort Deutschland. Nach einer einjährigen von Optimismus geprägten Phase hat sich das Experten-Panel damit wieder dem Niveau der ersten CHEMonitor-Befragung aus dem November 2006 angenähert. Dieser Trend ist auch in anderen Branchen zu erkennen, wie eine Analyse der aktuellen Befragungs¬ergebnisse des Handelsblatt Business-Monitors zeigt: Hier hatten zwar mit 27% der Manager im Vergleich zur chemischen Industrie prozentual weniger für schlechter werdende Standortbedingungen votiert; eine so große Anzahl negativer Bewertungen konnte jedoch seit April 2003 nicht mehr festgestellt werden.

Nachholbedarf bei Logistik-Kooperationen

Drei wesentliche Faktoren haben in den vergangenen Jahren zu einem deutlichen Anstieg der Schnittstellen zu externen Partnern sowie gestiegenen Anforderungen beim Supply Chain Management geführt: Erstens die zunehmende Globalisierung der Lieferketten durch die Verlagerung der Beschaffungs- und Absatzmärkte in den nahen und fernen Osten, zweitens die Fokussierung bzw. Spezialisierung der Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen sowie damit verbundenes Outsourcing von Dienstleistungen und drittens die sehr "schlank" aufgestellten Produktions- und Lagerstrukturen. In dieser Konstellation können kooperative Ansätze mit externen Partnern einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Wettbewerbsfähigkeit der Lieferketten zu erhöhen und Kosten- sowie Effizienzpotenziale zu erschließen. Im Einzelnen können dies kooperative Forecast- und Planungs- sowie kollaborative Lagermanagement-Ansätze (wie Vendor Managed Inventory oder Konsignationsläger) sein.

Gemäß CHEMonitor-Befragung arbeiten zurzeit nur 3% der Panel-Teilnehmer mit diesen Modellen in "sehr hohem" und 20% in einem "mittleren" Umfang. Jedes fünfte Unternehmen nutzt keinerlei Kooperationen und 28% lediglich in einem niedrigen Umfang. Hier besteht Nachholbedarf: Nur 54 % der Probanden halten den aktuellen Status für ausreichend, 7% überprüfen zurzeit kooperative Logistiklösungsoptionen und 13% der Chemiemanager wollen den Umfang vorhandener Kooperationen in den nächsten 2 bis 3 Jahren ausbauen.

Auch im Bereich der Transportlogistik und der Lagerhaltung kann Outsourcing die Effizienz steigern. Dennoch wollen nur 17% der Befragungsteilnehmer den Grad ihres Logistik-Outsourcing in den nächsten 2 bis 3 Jahren erhöhen, 71% planen dagegen keine Veränderungen, obwohl mit 76% das Gros der Panel-Teilnehmer lediglich sog. Second Party Logistics Modelle (2PL) unterhält, bei denen die Logistikdienstleister erst ab Warenausgang in den Lieferprozess eingebunden werden. In den Lieferketten der Zukunft werden 3PL bis 5PL Lösungen zunehmend genutzt werden, bei denen im letztgenannten Fall der Logistikdienstleister die gesamte Koordination, Organisation und Optimierung der logistischen Geschäfts¬prozesse entlang der Wertschöpfungskette übernehmen wird.

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