Forscher der TU München klären neuen Weg zur Speicherung von Kohlendioxid auf
Leben in der Hölle
Technische Universität München
Die wichtigste biochemische Reaktion auf der Erde ist die Kohlendioxid-Fixierung, durch die Photosynthese der Grünpflanzen. Aus Kohlendioxid und Wasser produzieren die Pflanzen dabei energiereiche Moleküle wie Zucker und Aminosäuren. Die dafür nötige Energie liefert das Sonnenlicht. Am Boden der Tiefsee ist alles anders: Hier leben in heißen, vulkanischen Schloten Einzeller wie das Archaeum Ignicoccus hospitalis. Ohne Licht und Sauerstoff, bei hohem Druck und 90°C Wassertemperatur baut dieser Organismus die für sein Leben benötigten organischen Moleküle aus Kohlendioxid auf. Er benutzt dazu Wasserstoff als Energiequelle. Seine Enzyme und Zellmembranen sind an die mörderischen Umgebungsbedingungen angepasst. Könnte man diese Organismen oder ihre Enzyme für industrielle Prozesse nutzen, wäre dies ein Weg zu neuen, Energie sparenden und schonenden Verfahren.
Bewegt der Mensch einen Muskel, so baut eine Kette von Enzymen im so genannten Zitrat-Zyklus energiereiche Moleküle wie Zucker oder Fettsäuren ab. Als Zwischenprodukt entsteht dabei Acetyl-CoA, das im Organismus zur Erzeugung biochemisch verfügbarer Energie gebraucht wird, sowie Kohlendioxid, das er ausatmet. Ignicoccus hospitalis macht es genau umgekehrt: Er nutzt einen modifizierten Zitrat-Zyklus, bei dem er Kohlendioxid aufnimmt und daraus energiereiche Verbindungen herstellt. Wieder ist Acetyl-CoA der zentrale Vermittler. Das Kohlendioxid wird im ersten Schritt direkt an das Acetyl-CoA gebunden und damit in den Zyklus eingeschleust. An einer zweiten Stelle kommt ein weiteres Kohlenstoffatom dazu, das ebenfalls aus aufgenommenem Kohlendioxid stammt. Am Ende des Reaktionszyklus hat das Archaeum aus dem ursprünglich zweiatomigen Acetyl-Rest eine Verbindung mit vier Kohlenstoffatomen aufgebaut, die in zwei Acetyl-CoA-Einheiten gespalten wird. Eine davon geht in den Kreislauf zurück, die zweite steht nun als energiereicher Baustein zum Aufbau von Zuckern und Aminosäuren zur Verfügung.
Erste Hinweise auf mögliche Teilreaktionen im Stoffwechsel von Ignicoccus hospitalis lieferten Untersuchungen der Enzyme durch die Kooperationspartner im Institut für Mikrobiologie der Universität Freiburg. Um nun heraus zu bekommen, welche Änderung die Enzyme an welchem Atom der Ausgangsverbindung vorgenommen hatten, fütterten die Kollegen in Regensburg Kulturen des Archaeums mit Stoffwechselbausteinen, bei denen ein Kohlenstoffatom isotopenmarkiert war. An den Proben aus der Universität Regensburg konnten sie damit genau verfolgen, wie die markierten Atome im Stoffwechsel des Einzellers von einem Zwischenprodukt zum nächsten wanderten. So gelang es schließlich, den gesamten Reaktionszyklus mit allen Zwischenschritten aufzuklären.
"Diese Arbeit besticht durch das Ineinandergreifen einer Vielzahl verschiedenster Methoden und die äußerst fruchtbare Kooperation mehrerer Arbeitsgruppen mit unterschiedlichem Fokus," erläutert Dr. Wolfgang Eisenreich von der TU München. "Im Ergebnis haben wir einen neuen Weg aufklären können, wie aus Kohlendioxid nützliche organische Verbindungen aufgebaut werden. Ein zweiter wichtiger Aspekt sind die hoch temperaturfesten Enzyme. Nun sind die anwendungsorientierten Wissenschaftler gefragt, aus den Ergebnissen neue Verfahren abzuleiten."
Originalveröffentlichung: Harald Huber, Martin Gallenberger, Ulrike Jahn, Eva Eylert, Ivan A. Berg, Daniel Kockelkorn, Wolfgang Eisenreich, and Georg Fuchs; "A dicarboxylate/4-hydroxybutyrate autotrophic carbon assimilation cycle in the hyperthermophilic Archaeum Ignicoccus hospitalis"; PNAS Early Edition (2008).
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