Leuchtspuren im Gehirn

13.08.2008

Wissenschaftler träumen schon lange davon, Nervenzellen im Gehirn direkt bei der Arbeit zu beobachten. So könnte zum Beispiel die Verarbeitung von Sinneseindrücken, die Veränderungen der Nervenzellen während eines Lernvorgangs, oder das Absterben von Nervenzellen im Alter und bei Krankheit untersucht werden. Die dazu nötigen Langzeitbeobachtungen der Aktivität einzelner Nervenzellen waren jedoch bislang nicht möglich. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie haben nun ein Molekül entwickelt, dass von den Zellen selbst gebildet wird und zuverlässig über viele Wochen hinweg die Aktivität einzelner Nervenzellen anzeigt.

Das Gehirn bestimmt wer wir sind, was wir tun und wie wir die Welt wahrnehmen. Um zu verstehen wie das Gehirn funktioniert, muss man das Muster ihrer elektrischen Aktivität interpretieren. Ein einzelnes Signal über viele Wochen hinweg zu verfolgen, ist nahezu unmöglich. In den letzten Jahren gab es jedoch wichtige Verbesserungen in den Untersuchungsmethoden. So wurden Fluoreszenz-Farbstoffe entwickelt, die die Aktivität einzelner Nervenzellen sichtbar machen. Die Grundlage dieser Farbstoffe sind synthetische Kalzium-Indikatoren, die auf die Bindung von Kalzium mit einer Veränderung ihrer Helligkeit reagieren. Kalzium kommt in jeder Nervenzelle vor und die Kalzium-Konzentration ändert sich, wenn eine Nervenzelle zum Beispiel ein elektrisches Signal weitergibt. Künstlich in eine Zelle eingebrachte Kalzium-Indikatoren können somit elektrische Signale der Zellen optisch sichtbar machen. Zusätzlich hebt der fluoreszierende Farbstoff die damit gefüllte Zelle aus der Masse der Nervenzellen hervor und macht sie mit all ihren Verästelungen sichtbar. Mit Hilfe der modernen 2-Photonen-Mikroskopie können so die Aktivität und auch die Anatomie der markierten Zellen direkt im Gehirn studiert werden. Jedoch verblassen die künstlichen Farbstoffe meist nach kurzer Zeit wieder, was Langzeitbeobachtungen verhindert.

Eine Alternative zu den synthetisch hergestellten Farbstoffen sind genetisch kodierte Kalzium-Indikatoren. Diese Moleküle sind Proteine, die von einzelnen genetisch veränderten Nervenzellen selbst produziert werden. Ist die Nervenzelle aktiv, fluoreszieren die Indikator-Moleküle anstatt zuvor bläulich eher gelb. Störende Eingriffe von außen sind also nicht mehr nötig, um die Aktivität der Zellen sichtbar zu machen. Doch auch hier gibt es ein Problem: Im Vergleich zu den künstlichen Farbstoffen leuchteten diese genetisch-kodierten Indikator-Moleküle nur schwach und reagierten auch nur auf größere Änderungen in der Kalzium-Konzentration. So blieb eine schonende aber auch aussagekräftige Langzeitbeobachtung der Aktivität einzelner Nervenzellen weiterhin ein Wunschtraum.

Dieser Traum scheint nun in Erfüllung zu gehen. Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie ist es gelungen, einen deutlich verbesserten Kalzium-Indikator zu entwickeln. TN-XXL, so der Name des Moleküls, ist viel empfindlicher als alle seine Vorgänger und reagiert schon auf kleinste Änderungen in der Aktivität von Nervenzellen. Da TN-XXL ständig von den Nervenzellen nachgebildet wird, ist die Leuchtkraft kontinuierlich hoch. So kann die Aktivität einzelner Nervenzellen über viele Wochen hinweg im intakten Gehirn beobachtet werden.

Originalveröffentlichung: Marco Mank, Alexandre Ferrão Santos, Stephan Direnberger, Thomas D. Mrsic-Flogel, Sonja B. Hofer, Valentin Stein, Thomas Hendel, Dierk F. Reiff, Christiaan Levelt, Alexander Borst, Tobias Bonhoeffer, Mark Hübener, Oliver Griesbeck; "A genetically encoded calcium indicator for chronic in vivo two photon imaging"; Nature Methods 2008.

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