Neue Materialien mit ultrakalten Atomen untersuchen
Forscher nutzen Gitter aus Licht als Baukasten
Die Untersuchung von komplexen Materialien wie Hochtemperatursupraleitern ist wegen der vorhandenen Unordnung und vieler konkurrierender Wechselwirkungen in echten kristallinen Materialien problematisch. „Dies macht es schwierig, die Rolle der spezifischen Wechselwirkungen zu bestimmen und insbesondere zu entscheiden, ob abstoßende Wechselwirkungen zwischen Elektronen allein die Hochtemperatursupraleitfähigkeit erklären können“, erläutert Dr. Theodoulos Costi vom Institut für Festkörperforschung des Forschungszentrums Jülich, Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft.
Atome in einem Lichtgitter können als Quantensimulator für eine Vielzahl von interessanten Phänomenen, wie dem oben beschriebenen dienen. Sie bieten ein flexibles Modellsystem in einer gut kontrollierten Umgebung und können beispielsweise Elektronen in fester, sogenannter kondensierter, Materie simulieren. Die Physiker bringen für ihr Verfahren ultrakalte Atome mit einem Lichtgitter in eine Kristallstruktur und schalten gezielt zwischen metallischen und isolierenden Zuständen.
Den Forschern gelang es, mit diesem Quantensimulator eines der spektakulärsten elektronischen Phänomene zu simulieren: Wenn die Wechselwirkungen zwischen den Elektronen zu stark werden, kann ein Metall plötzlich seine Leitfähigkeit verlieren. Der resultierende sogenannte Mott-Isolator ist wahrscheinlich das wichtigste Beispiel für einen Zustand starker elektronischer Wechselwirkungen in der Physik der kondensierten Materie, da er einen Ansatzpunkt für die Untersuchung des Quantenmagnetismus liefert. Darüber hinaus findet man diesen Isolatorzustand in unmittelbarem Zusammenhang mit der Hochtemperatursupraleitung.
Die Versuchsanordnung in Mainz erlaubt es, die Dichte der Atome und die Stärke der abstoßenden Wechselwirkung zwischen den Atomen unabhängig voneinander einzustellen. Durch die Untersuchung des Verhaltens der Atome bei steigendem Druck und verstärkten Wechselwirkungen gelang es den Experimentatoren um Prof. Immanuel Bloch der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, den Mott-Isolator im Quantengas der Atome nachzuweisen.
Der Vergleich mit theoretischen Berechnungen von Gruppen in Jülich und Köln, die umfangreiche Simulationen an einem Jülicher Supercomputer erforderten, ergab eine ausgezeichnete Übereinstimmung zwischen Theorie und Experiment. Zudem zeigten die Forscher durch diese Berechnungen, dass eine unter der Abkürzung DMFT (Dynamische Molekularfeld-Theorie) bekannte Schlüsselmethode der Theorie der kondensierten Materie auch auf reale Systeme anwendbar ist. Die Forscher erwarten, dass ihre theoretischen und experimentellen Verfahren zur Untersuchung von Quanten-Vielteilchen-Zuständen in Lichtgittern schon bald von anderen Gruppen übernommen werden.
Originalveröffentlichung: U. Schneider et al.; "Metallic and Insulating Phases of Repulsively Interacting Fermions in a 3D Optical Lattice"; Science 5. Dezember 2008
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