Neuartiger Quanteneffekt direkt beobachtet und erklärt
Forscherteam gelingt Blick auf Elektronen im Quanten-Spin-Hall-Zustand
Der Spin ist eine quantenmechanische Eigenschaft von Elementarteilchen und kommt grundsätzlich in zwei Varianten vor. Deshalb eignet er sich als binärer Informationsträger. In Festplatten etwa werden Spins bereits zur Speicherung von digitalen Informationen genutzt.
2007 beobachteten Physiker aus Deutschland und den USA ein neues Phänomen, das es möglich machen könnte, die Information zukünftiger Speichermedien nahezu verlustfrei zu transportieren und elektrisch zu manipulieren, den sogenannten Quanten-Spin-Hall-Effekt.
Ein internationales Forscherteam, darunter Dr. Gustav Bihlmayer vom Forschungszentrum Jülich, Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, veröffentlicht im Fachmagazin „Science“ die erste Studie, in der ein direkter Blick auf die Spins der fließenden Teilchen gelang. Ein Nachweis des Quanten-Spin-Hall-Effektes war bisher nur indirekt möglich.
„Wir konnten erstmals direkt zeigen, dass im Randbereich einer Legierung aus Wismut und Antimon zwei gegeneinander laufende Spinströme fließen. Eine Energiezufuhr von außen ist dafür nicht notwendig, Verluste können nicht auftreten“, erläutert Dr. Gustav Bihlmayer vom Jülicher Institut für Festkörperforschung. Ursache dieses verblüffenden Phänomens sind Wechselwirkungen im Inneren des Materials. Besonders spannend ist für Materialwissenschaftler: Auch Unregelmäßigkeiten im Material beeinträchtigen die Spinströme nicht. „Damit bieten solche sogenannten topologischen Materialien Spinströme an, die elektrisch manipulierbar sind und so als Quelle für Spins dienen oder einen Weg für einen fehler-toleranten Quantencomputer weisen“, sagt Bihlmayer. „Mit unserem Verfahren können in Zukunft gezielt Materialien auf diese Eignung hin untersucht werden.“
In der vorliegenden Untersuchung werden theoretische Berechnungen und Photoelektronenspektroskopie genutzt. Durch die Photonen eines Synchrotron-Strahls werden Elektronen aus der Materialoberfläche emittiert. Die Energie- und die Impulsverteilung sowie der Spin der Teilchen können zu konkreten Aussagen über das Auftreten des Quanten-Spin-Hall-Effekts genutzt werden. Frühere Methoden basierten auf Messungen der Leitfähigkeit in den Materialien bei variabler Spannung.
Was Nicht-Naturwissenschaftlern oft nur von der „Kernspintomographie“ ein Begriff ist, bringt Physiker und Nanoelektroniker regelrecht zum Träumen. Sie erhoffen sich von der sogenannten Spin-Elektronik, bei der nicht nur die elektrische Ladung, sondern auch die Eigenrotation (der Spin) von Elektronen und Atomkernen genutzt wird, neuartige Konzepte zur Verarbeitung und Kodierung von Informationen in der Datenverarbeitung. Schnellere, kleinere und energiesparende Rechner könnten dadurch Wirklichkeit werden, aber auch völlig neue Bauteile, die gleichzeitig mehrere Funktionen in sich vereinigen, wie Speicherung, Logik und Kommunikation. Eine prominente Idee ist der Quantencomputer. Grundlagenforscher suchen für spin-elektronische Konzepte unter Hochdruck nach neuen Materialien und Phänomenen, die es erlauben, die Spinausrichtung sowie den Spinfluss zu kontrollieren.
Originalveröffentlichung: D. Hsieh et al.; "Observation of unconventional quantum spin textures in topologically ordered materials"; Science, 13 February 2009, Vol 323, Issue 5916
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