Ausschwärmende Teilchen
Silberchlorid-Mikropartikel als lichtgetriebene Mikromotoren, die sich in Form von Schwärmen organisieren
Lebende Zellen und Organismen sind in der Lage, untereinander Informationen auszutauschen und im Team Aufgaben zu erfüllen. So sondern etwa einzellige Schleimpilze unter ungünstigen Lebensbedingungen eine spezielle Substanz ab. Benachbarte Schleimpilze folgen dem Gradienten dieses Signalstoffs und lagern sich in Form eines mehrzelligen Fruchtkörpers zusammen. Ähnlich wie der Schleimpilz verhalten sich auch die ca. 1 µm großen Silberchloridpartikel in deionisiertem Wasser, wenn sie mit UV-Licht bestrahlt werden. Unter UV wird Silberchlorid zersetzt, dabei werden Ionen frei, die gleichzeitig als Antriebsmechanismus und als Signalstoff wirken.
Die Grundlage hierfür ist ein Phänomen namens Diffusiophorese, das ist die Bewegung von Partikeln entlang eines Elektrolytgradienten. Die Silberchloridteilchen „schwimmen“ in Richtung der höheren Ionenkonzentration. Aufgrund von Ungleichmäßigkeiten der Partikeloberfläche sowie einer nichtgleichförmigen Bestrahlung verläuft die Zersetzungsreaktion der Partikel asymmetrisch. Es werden nicht an jeder Stelle gleich viel Ionen freigesetzt, sodass ein lokaler Ionengradient um das Teilchen entsteht. Das Teilchen verursacht damit seinen eigenen Ionengradienten, der es auf Geschwindigkeiten bis zu 100 µm/s beschleunigt (Selbst-Diffusiophorese). Benachbarte Silberchloridpartikel folgen dem Ionengradienten in der Lösung und „schwimmen“ damit in Regionen mit höherer Partikeldichte. Nach einigen Minuten entstehen kleine, recht stabile „Schwärme“ der Partikel. Auch photochemisch inaktive Siliciumdioxidpartikel reagieren auf das Ionensignal. Sie sammeln sich um die Silberchloridteilchen.
Das System kann als nichtbiologisches Modell für die Kommunikation zwischen Zellen genutzt werden. Vor allem aber stellt es ein neues Designprinzip für „intelligente“ synthetische Nano- oder Mikromaschinen dar, die im Team zusammenarbeiten können.
Originalveröffentlichung: Ayusman Sen et al.; "Schooling Behavior of Light-Powered Autonomous Micromotors in Water"; Angewandte Chemie 2009, 121, No. 18, 3358-3362
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