Früher gegensteuern bei unwirksamen Therapien

Verbundprojekt will CT-Bilder effektiver als heute für die Verlaufskontrolle von Tumorbehandlungen einsetzen

28.02.2018 - Deutschland

Wie gut wirkt ein Krebsmedikament bei einem Patienten, wie schlägt eine Strahlentherapie an? Um das herauszufinden, nehmen Mediziner CT-Aufnahmen zur Hilfe und schauen nach, ob ein Tumor im Laufe der Behandlung schrumpft oder nicht. Mit dem Verbundprojekt „PANTHER“ versucht ein Expertenteam, weitere wertvolle Informationen aus den Bildern zu gewinnen. Dadurch könnten Ärzte künftig früher erkennen, wie gut eine Krebsbehandlung anschlägt und ob man die Therapie wechseln sollte. Maßgeblich beteiligt ist das Fraunhofer-Institut für Bildgestützte Medizin MEVIS mit seinen Standorten in Bremen und Lübeck. Zur Projekthalbzeit in diesem Frühjahr präsentiert das Projektteam nun die ersten Zwischenresultate.

© Foto Fraunhofer MEVIS

Radiomics deckt Zusammenhänge zwischen Bildern und klinischen Daten auf. Die „Heatmap“ gruppiert Patienten mit ähnlichen Merkmalen und stellt sie durch gleichfarbige Flächen dar.

Heute überprüfen Mediziner den Verlauf einer Tumortherapie, indem sie den Allgemeinzustand ihrer Patienten beobachten, Laborwerte aus Blutuntersuchungen analysieren und in regelmäßigen Abständen CT-Aufnahmen der betroffenen Organe machen. Bislang orientieren sich die Ärzte auf diesen Bildern an der Größenentwicklung des Tumors: Ist er in Folge einer Strahlenbehandlung oder einer Chemotherapie geschrumpft? Oder wächst er womöglich weiter, sodass ein Therapiewechsel sinnvoll erscheint, zum Beispiel die Wahl eines anderen Medikaments?

Hier setzt das Verbundprojekt PANTHER an. „Bislang ist die Größenentwicklung des Tumors das wichtigste Kriterium bei der Beurteilung der CT-Bilder“, sagt Jan Hendrik Moltz, Informatiker bei Fraunhofer MEVIS. „Doch in den Aufnahmen stecken noch viel mehr Informationen, die aber bislang kaum genutzt werden.“ So zeigen die Bilder zusätzlich zum Größenverlauf, ob und wie sich die Form eines Geschwürs im Laufe der Zeit verändert. Außerdem können sie Details über die Textur liefern, also die Beschaffenheit des Tumors: Besteht er aus verschiedenen Gewebearten, und verändert sich seine Zusammensetzung im Laufe der Therapie?

Das Problem: Mit bloßem Auge sind viele dieser Zusatzinformationen nicht zu sehen. „Um diese Merkmale erkennen und vor allem quantifizieren zu können, braucht man eine Computerunterstützung“, betont Moltz. „Genau das ist das Ziel von PANTHER.“ Das Verbundprojekt „Patientenorientierte onkologische Therapieunterstützung“ wird seit Oktober 2016 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und umfasst ein Projektvolumen von knapp 2,8 Millionen Euro. Neben Fraunhofer MEVIS sind das Klinikum der Universität München, MeVis BreastCare GmbH & Co.KG sowie als Projektkoordinator Siemens Healthcare GmbH beteiligt.

In einem ersten Schritt stellten Radiologen der Uniklinik München große Mengen an CT-Bilddaten von Darmkrebs- und Lymphom-Patienten zusammen. In diesen Daten haben die Kliniker die relevanten Strukturen mit Hilfe eines Webtools segmentiert, also eingegrenzt. Dadurch sind Größe und Form der Tumoren bzw. Organe in den Aufnahmen klar zu erkennen und quantitativ zu vermessen. Im späteren Projektverlauf soll diese Segmentierung automatisch durch einen Algorithmus erfolgen.

Ferner stellten Onkologen aus der Münchener Klinik umfangreiches Datenmaterial darüber zur Verfügung, wie die Patienten auf eine Therapie angesprochen haben und wie sich ihre Blutwerte im Laufe der Behandlung entwickelten. Diese Daten wollen die Experten nun mit bestimmten Merkmalen in den CT-Bildern abgleichen, etwa wie sich Form und Textur eines Tumors im Laufe einer Therapie verändern. Umfangreiche statistische Analysen sollen verraten, ob und an welchen Stellen es verlässliche Zusammenhänge zwischen Bild- und Therapiedaten gibt. „Im Idealfall ließe sich anhand der CT-Bilder früher als bislang abschätzen, ob die eingeschlagene Therapie Erfolg hat oder nicht“, meint Julian Holch, Onkologe am Klinikum der Universität München.

Demnächst wird das PANTHER-Team Halbzeitbilanz ziehen. „Wir haben den Großteil der Daten zusammengetragen und wesentliche Teile der Software geschrieben, etwa für die automatische Segmentierung der Milz“, berichtet Moltz. „Außerdem haben wir die Merkmale in den CT-Bildern identifiziert, die wir nun mit statistischen Analysen untersuchen wollen.“ Bei Darmkrebspatienten etwa könnte die Veränderung von Lebermetastasen einen Fingerzeig auf den Therapieerfolg bringen. Bei Lymphom-Erkrankten geben möglicherweise Formänderungen der Milz Hinweise auf das Therapieansprechen.

„Zum Projektende im Herbst 2019 sollte klar sein, welchen Nutzen unser Ansatz für die Medizin bringen kann“, sagt Jan Hendrik Moltz. „Der nächste Schritt wäre dann die Entwicklung eines computerbasierten Expertensystems, das die Ärzte bei der Suche nach der besten Therapie unterstützt.“

Das Verbundprojekt ist ein Beispiel für einen neuen Ansatz in der Medizin, Radiomics genannt – ein Kunstwort aus „Radiology“ und „Genomics“. Ausgefeilte Algorithmen sollen helfen, zusätzliche Informationen aus radiologischen Bildern zu ziehen und mit Daten aus Klinik und Labor zu korrelieren – mit dem Ziel, spezifisch wirkende Therapien zu entwickeln. „Radiomics hat das Potential, die Medizin effizienter zu machen und somit Vorteile für den Patienten zu bewirken“, sagt Horst Hahn, einer der beiden Leiter von Fraunhofer MEVIS. „Dadurch lassen sich tiefgehende Analysen einer Erkrankung gewinnen, mit deren Hilfe wir herausfinden können, welcher Patient auf welche Therapiemethodik anspricht.“

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