Neuer Biosensor für Kinasen

16.08.2019 - Österreich

Signalwege in menschlichen Zellen können durch Mutationen in Kinasen, die als molekulare Schalter fungieren, gestört werden. Oft sind schwere Krankheiten wie Krebs die Folge. Neues Licht in das Verständnis dieser komplexen Prozesse bringt ein Verfahren, das ein international vernetztes Forscherteam um Eduard Stefan von der Universität Innsbruck entwickelt hat. Die Biochemiker modifizieren Kinasen und bringen sie zum Leuchten, um ihre krankhafte Funktion direkt in der Zelle zu studieren.

Die Proteinkinase BRAF spielt eine wichtige Rolle im MAP-Kinase-Signalweg. Eine Reihe von Kinasemutationen stören diese an zahlreichen biologischen Prozessen beteiligte Signalkaskade und können so zum Auslöser von bestimmten Krebserkrankungen werden. Bisher konnten die Folgen indirekt anhand der pathologischen Veränderungen des zellulären Signalwegs oder über Untersuchungen der mutierten Kinase außerhalb der Zelle charakterisiert werden. Das Team um Eduard Stefan vom Institut für Biochemie und dem Centrum für Molekulare Biowissenschaften (CMBI) der Universität Innsbruck hat nun eine Methode entwickelt, mit der Kinaseaktivitäten und molekulare Interaktionen wie etwa von BRAF direkt in der Zelle beobachtet werden können. Damit lässt sich auch die Wirkung auf die zelluläre Kinaseaktivität der auch in der Melanomtherapie eingesetzten RAF-Kinase-Inhibitoren schnell und auch dosis-abhängig vorhersagen.
Die Innsbrucker Biochemiker fusionieren dazu die beiden Enden des untersuchten Kinaseproteins mit zwei Reporterproteinfragmenten und bringen diesen Biosensor in die Zellen ein. „Wird die Kinase in der Zelle inaktiviert, dann verändert sich die Kinasestruktur. Die beiden Enden und damit auch die beiden Reporterproteinfragmente nähern sich an, interagieren und beginnen zu leuchten“, erläutert Eduard Stefan die Methode. „Mit diesen Biosensoren verfügen wir über ein direktes Read-out für zelluläre Kinaseaktivität.“

In einer Arbeit in der Fachzeitschrift Science Advances haben die Innsbrucker Biochemiker eine BRAF-Kinasemutante, die zur Entstehung von Melanomen führen kann, direkt in intakten Zellen analysiert. In der klinischen Praxis werden bei eben dieser Mutation seit einigen Jahren Wirkstoffe verabreicht, die die Krebsproliferation meistens nur temporär reduzieren. Tragischerweise kann es zu einer Medikamentenresistenz kommen, deren Ursachen noch nicht vollständig aufgeklärt wurden. Die Forscher vom Institut für Biochemie haben in Kooperation mit Jakob Troppmair von der Medizinischen Universität Innsbruck und zwei amerikanischen Forscherteams mit ihrem neuen Verfahren nun eine mögliche weitere Erklärung dafür identifiziert. Die durch die Inhibitoren inaktivierte BRAF-Kinase scheint die Funktion des ihr in der Signalkaskade vorgelagerten Onkogens RAS durch molekulare Interaktion zu verändern. Charakterisiert haben die Wissenschaftler diesen Mechanismus auch direkt in menschlichen Melanomzelllinien. „Der Wirkstoff verändert die zelluläre Signalweiterleitung; die Kinase wird zwar inhibiert, aber mitinvolvierte Feedback-Signalwege werden dadurch reaktiviert. Dadurch können zeitabhängig Medikamentenresistenzen entstehen“, sagt Stefan. „Diese komplexen Prozesse zu verstehen, ist eine große Herausforderung und ist unter anderem auch auf innovative und zellbasierte biotechnologische Ansätze angewiesen.“

Entscheidende Konsequenzen hat das Verständnis dieser zellulären Prozesse auch für personalisierte Therapieansätze. Welcher Wirkstoff inhibiert welche mutierte Kinase am besten? Je zielgerichteter ein Medikament eingesetzt werden kann, umso größer könnte der Therapieerfolg in der Klinik sein. So könnte das neue Verfahren der Innsbrucker Grundlagenforscher eventuell einen Fortschritt für die personalisierte Medizin bringen und bei der Suche nach neuen Wirkstoffen gegen unterschiedlichste Erkrankungen, die mutierte Kinasen involvieren, hilfreich sein. Die Biochemiker haben daher, unterstützt vom projekt.service.büro der Universität, die Technologie zum Patent eingereicht.

In zwei weiteren Publikationen, die kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen sind, konnten die Innsbrucker Forscher zudem an der Entschlüsselung neuer Wechselwirkungen von Kinase-Aktivitäten mitwirken.

Originalveröffentlichung

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