Holz auf unserer Haut: Winziges Biochemie-Labor erspart Nadelstich

Flexible, biokompatible Nanozellulose-Sensoren

10.10.2019 - Schweiz

Blutwerte für die medizinische Diagnostik können auch ohne schmerzhaften Nadelstich ermittelt werden. Empa-Forscher entwickeln derzeit gemeinsam mit einem kanadischen Team flexible, bioverträgliche Sensoren aus Nanocellulose, die auf der Haut liegen. Die 3D-gedruckten Analysechips aus nachwachsenden Rohstoffen werden künftig sogar biologisch abbaubar sein.

Empa

Empa-Forscher Gilberto Siqueira demonstriert den frisch ausgedruckten Nanocellulose-Schaltkreis. Nach einem Trocknungs­prozess lässt sich das Material weiterverarbeiten.

Die Idee, gesundheitlich relevante Werte im Körper über die Haut zu messen, ist bereits in der medizinischen Diagnostik angekommen. So können beispielsweise Diabetiker den Blutzucker schmerzfrei über einen Sensor ermitteln, anstatt sich in den Finger piksen zu müssen. Empa-Forscher haben nun gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Kanada einen neuartigen Sensor hergestellt, der flexibel auf der Hautoberfläche liegt und besonders bioverträglich ist, da er aus Nanocellulose besteht.

Durchsichtige Folie aus Holz

Nanocellulose ist ein preiswerter, nachwachsender Rohstoff, der in Form von Kristallen und Fasern beispielsweise aus Holz gewonnen wird. Allerdings hat das ursprüngliche Erscheinungsbild eines Baums nichts mehr mit der gallertartigen Substanz zu tun, die aus nanokristalliner Cellulose und Cellulose-Nanofasern bestehen kann. Weitere Quellen für das Material sind Bakterien, Algen oder Produktionsreste aus der Lebensmittelherstellung. Damit ist Nanocellulose nicht nur vergleichsweise leicht und nachhaltig zu gewinnen. Interessant machen den «Superpudding» auch seine mechanischen Eigenschaften, weshalb sich neue Verbundwerkstoffe mit Nanocellulose entwickeln lassen, die als Oberflächenbeschichtungen, Alltagsgegenstände wie Getränkeflaschen oder in Form von durchsichtigen Verpackungsfolien eingesetzt werden könnten.

Forscher des Empa-Labors «Cellulose & Wood Materials» und Woo Soo Kim von der kanadischen «Simon Fraser University» setzten darüber hinaus auf ein weiteres Merkmal der Nanocellulose: ihre Bioverträglichkeit. Gerade weil das Material aus natürlichen Ressourcen gewonnen wird, eignet es sich ganz besonders für die biomedizinische Forschung.

Mit dem Ziel, bioverträgliche Sensoren zu produzieren, die wichtige Stoffwechselwerte messen können, verwendeten die Forscher die Nanocellulose als «Tinte» im 3D-Druckverfahren. Damit die Sensoren elektrisch leitfähig sind, wurde die Tinte hierzu mit Silber-Nanodrähten versetzt. Die Forscher ermittelten das exakte Verhältnis von Nanocellulose und Silberfäden, damit sich daraus ein dreidimensionales Netzwerk bilden kann.

Wie Spaghetti - nur kleiner

Es stellte sich dabei heraus, dass sich Cellulose-Nanofasern besser eignen als kristalline Nanocellulose, um daraus eine vernetzte Matrix mit den winzigen Silberdrähten herzustellen. «Cellulose-Nanofasern sind ähnlich flexibel wie gekochte Spaghetti, allerdings mit einem Durchmesser von nur rund 20 Nanometern und wenigen Mikrometern Länge», erklärt Empa-Forscher Gilberto Siqueira.

Es gelang dem Forscherteam schliesslich, Sensoren zu entwickeln, die medizinisch relevante Stoffwechselparameter wie die Konzentration von Calcium, Kalium und stickstoffhaltigen Ammonium-Ionen messen. Damit die Messwerte weiter analysiert werden können, sendet der elektrochemische Hautsensor seine Ergebnisse zur weiteren Datenverarbeitung an einen Computer. Insgesamt ist das winzige Biochemie-Labor auf der Haut lediglich einen halben Millimeter dick.

Während der aktuelle Haut-Sensor Ionenkonzentrationen spezifisch und zuverlässig ermittelt, arbeiten die Forscher aber bereits an einer neuen Version: «Künftig möchten wir die Silberpartikel durch ein anderes leitfähiges Material ersetzen, etwa auf der Basis von Kohlenstoffverbindungen», erläutert Siqueira begeistert sein neustes Projekt. Damit wäre der medizinische Nanocellulose-Sensor nicht nur bioverträglich, sondern auch komplett bioabbaubar.

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