Herumgereichte Elektronen
Ultraschneller Charge-Transfer in Berliner Blau-Analoga
© Wiley-VCH
Berliner Blau oder Preußisch Blau heißt ein intensiv blaues anorganisches Pigment, das seit dem 18. Jahrhundert z.B. in der Malerei, Textilfärbung und Medizin verwendet wird. Im Kristallgitter der Komplex-Verbindung K[FeIIFeIII(CN)6] wechseln sich zweiwertige und dreiwertige Eisenionen ab. Die intensive Farbe entsteht durch eine Ladungsübertragung: Unter Lichtanregung werden Elektronen vom FeII zum FeIII übertragen. Auch wenn heute keine Textilien mehr damit gefärbt werden, machen die besonderen elektronischen Eigenschaften Berliner Blau für andere Anwendungen interessant, wie Fensterscheiben mit selbstanpassender Lichtdurchlässigkeit, opto-elektronische Bauteile, Gasabsoprtion und Katalyse, sowie als Elektrodenmaterial für neuartige Stromspeicher.
Inzwischen wurden ebenso interessante, analog aufgebaute Verbindungen mit anderen Metallen hergestellt, u.a. ein RbMnFe-Berliner Blau-Analogon, in dem Mangan einen Teil der Eisen-Ionen ersetzt. Bei tiefen Temperaturen ist das Gitter aus dreiwertigen Mangan- und zweiwertigen Eisen-Ionen aufgebaut. Das Mangan ist oktaedrisch von den Stickstoff- und das Eisen von den Kohlenstoffatomen der Cyanid-Liganden umgeben. Unter Licht findet eine Ladungsübertragung wie bei Berliner Blau statt: MnIIIFeII → MnIIFeIII. Der Vorgang ist lokal begrenzt und läuft ultraschnell ab.
Einen so raschen Prozess zu untersuchen ist eine Herausforderung. Das Team um Hiroko Tokoro (Universität Tsukuba, Japan), Shin-ichi Ohkoshi (Univesität Tokio) und Eric Collet (Universität Rennes 1, Frankreich) hat diese jetzt mit optischer Ultrakurzzeit-Spektroskopie in Form von Anregungs-Abfrage-Experimenten (Pump-Probe-Spektroskopie) mit einer Auflösung von 80 Femtosekunden (80 Billiardstel Sekunden) gemeistert. Dabei werden Elektronen der Verbindung durch Anregung mit einem Laserpuls in einen energetisch höheren Zustand versetzt. Kurz darauf wird das System zur „Abfrage“ mit einem zweiten Laserpuls einer anderen Wellenlänge bestrahlt und die Absorption ermittelt. Eine Kombination der Ergebnisse mit Berechnungen der elektronischen Bandstrukturen ergab, dass es zwei verschiedene Wege der Photoschaltung für die Ladungsübertragung gibt. Sie zeigen unterschiedliche Dynamiken, die auf sehr verschiedenen Arten anfänglicher elektronischer Anregung basieren.
Der hauptsächlich durchlaufene Weg (MnIII(d-d)-Weg) startet, indem ein Elektron durch das Licht von einem d-Orbital eines MnIII in ein anderes, energetisch etwas höher liegendes d-Orbital des MnIII angeregt wird. Dies führt zu einer Lockerung und damit Verlängerung der Bindungen zwischen dem MnIII und einem Teil der benachbarten Stickstoff-Atome. Der Oktaeder um das Mn wird gestaucht (inverse Jahn-Teller-Verzerrung), was zu einer lokalen Verzerrung des Gitters und zu kohärenten Schwingungen führt. Dies ist die treibende Kraft für den Übertritt eines Elektrons (Charge Transfer) vom Eisen auf das Mangan (MnIIIFeII → MnIIFeIII ). Die Zeitskala für diesen Prozess liegt unterhalb von 200 fs.
Daneben spielt der sogenannte Intervalenz-Transfer-Weg eine Rolle. Dabei wird ein Elektron des Eisens durch Licht angeregt und direkt in ein Orbital des Mangans gehoben. Die langsamere Reorganisation verursacht keine kohärente Gitterschwingung.
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