Mit Abwasser schnell und kostengünstig zum R-Wert
Forschungsteam zeigt, dass Abwasseranalysen Aufschluss über die Reproduktionszahl des Coronavirus geben
© Esther Michel, EAWAG
Bisher wurde der R-Wert anhand klinischer Daten geschätzt, insbesondere aufgrund der positiv Getesteten, der Hospitalisierungen oder der Todesfälle. Nun hat ein vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstütztes Forschungsteam erstmals gezeigt, dass es auch möglich ist, die Reproduktionszahl des Virus mittels Abwasseranalysen zuverlässig zu schätzen. Die Studie wurde auf dem Preprint-Server medRxiv veröffentlicht und wurde also noch nicht begutachtet.
Bestimmung der Anzahl infizierter Personen
Infizierte Personen geben das Virus ins Abwassersystem ab, zum Beispiel beim Zähneputzen oder auf der Toilette. Je nachdem, wie viele Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt erkrankt sind, ist die Viruskonzentration im Abwasser unterschiedlich hoch. "Wir bestimmen die Virenlast im Abwasser mit einem Test, der ähnlich funktioniert wie die PCR-Tests beim Menschen. Kurz gesagt analysieren wir, wie viel genetisches Material des Virus sich im Abwasser befindet", erklärt Jana Huisman, Postdoktorandin an der ETH Zürich und Erstautorin der Studie.
Der nächste Schritt ist die Schätzung der Reproduktionszahl aufgrund der Virenlast. Hier kommt ein vom Forschungsteam entwickeltes mathematisches Modell ins Spiel. "Anhand der Virenlast, die wir im Abwasser messen, können wir schätzen, wie viele Personen vom Virus infiziert sind, und die Dynamik über die Zeit verfolgen", führt Huisman aus. Damit lässt sich auch die Reproduktionszahl des Virus schätzen.
Effiziente und günstige Methode
Die Technik wurde in Zürich und in den USA getestet und hat sich als zuverlässig erwiesen: Es resultieren ähnliche Schätzungen für den R-Wert wie mit klinischen Daten, falls das Abwasser mindestens dreimal pro Woche analysiert wird. Diese Häufigkeit gewährleistet gemäss den Forschenden ein optimales Verhältnis von Genauigkeit und Kosten.
Die Überwachung von Sars-Cov-2 im Abwasser ist nicht neu. Doch dank der vom Forschungsteam entwickelten Technik ist es nun möglich, diese Messungen schnell und kostengünstig in einem Wert auszudrücken, der für epidemiologische Szenarien von direktem praktischen Nutzen ist. "Ausserdem benötigen wir dafür keine klinischen Daten", sagt Huisman. Dies ist ein wichtiger Punkt, da klinische Daten verzerrt sein können. Wenn sich zum Beispiel die Kriterien dafür ändern, wer sich einem Test unterziehen muss, beeinflusst dies die Zahl der positiv Getesteten. Auch die Kriterien für die Erfassung der Hospitalisierungen oder der Covid-19-bedingten Todesfälle können ändern.
Ein weiterer Vorteil ist, dass die Technik des Forschungsteams auch regelmässige Analysen ermöglicht, wenn an einem Ort kaum klinische Tests durchgeführt werden. Der Ansatz könnte ausserdem zur Überwachung anderer Krankheitserreger, für die keine klinischen Daten vorliegen, eingesetzt werden, z. B. für andere humane Coronaviren, Enteroviren, Noroviren, Rotaviren oder sogar für Influenza.
Originalveröffentlichung
J. Huisman, J. Scire, L. Caduff, X. Fernandez-Cassi, P. Ganesanandamoorthy, A. Kull, A. Scheidegger, E. Stachler, A. Boehm, B. Hughes, A. Knudson, A. Topol, K. Wigginton, M. Wolfe, T. Kohn, C. Ort, T. Stadler, T. Julian; "Wastewater-based estimation of the effective reproductive number of SARS-CoV-2"; medRxiv; 2021
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J. Huisman, J. Scire, L. Caduff, X. Fernandez-Cassi, P. Ganesanandamoorthy, A. Kull, A. Scheidegger, E. Stachler, A. Boehm, B. Hughes, A. Knudson, A. Topol, K. Wigginton, M. Wolfe, T. Kohn, C. Ort, T. Stadler, T. Julian; "Wastewater-based estimation of the effective reproductive number of SARS-CoV-2"; medRxiv; 2021
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