Klara – Ein transparenter Fisch für die Alternsforschung

Inaktivierung der Pigmentierung durch CRISPR/Cas9-Technologie

21.03.2023 - Deutschland

Für in-vivo-Untersuchungen wichtiger Prozesse in einem Organismus stellt die Körperpigmentierung eine erhebliche Einschränkung dar. Um dies zu umgehen, wurden bereits diverse Fischmodelle generiert, die u.a. in der Krebsforschung Anwendung finden. In der Alternsforschung können diese Fische aufgrund ihrer Lebensspanne von bis zu fünf Jahren jedoch kaum genutzt werden. Forschenden des Leibniz-Instituts für Alternsforschung (FLI) in Jena ist es mit Hilfe der CRISPR/Cas9-Technologie nun gelungen, einen transparenten Killifisch (N. furzeri) namens „klara“ zu generieren, der mit einer Lebensspanne von maximal nur einem Jahr in-vivo-Untersuchungen alternsbedingter Prozesse möglich macht.

FLI / Kerstin Wagner

Durch gleichzeitiges Ausschalten von drei Genen, die für die Pigmentierung des Türkisen Prachtgrundkärpflings (N furzeri) wichtig sind, erhält man einen Einblick in das Innere der Fische. Männlicher Fisch der klara-Linie (oben) im Vergleich zum Wildtyp.

Die Körperpigmentierung eines Organismus wird durch farbgebende Substanzen und Strukturen in Zellen hervorgerufen, die sich zum Beispiel in der Haut, in den Haaren, Federn oder Schuppen befinden. Diese Pigmentierung schränkt Untersuchungen wichtiger Prozesse in einem lebenden Organismus (in-vivo) beträchtlich ein. Um dennoch einen detaillierten Blick in den lebenden Körper zu ermöglichen, werden transparente Modellorganismen entwickelt.

Bereits erfolgreich generierte transparente Fischmodelle des Zebrabärblings (Zebrafisch) oder von Medaka (Japanischer Reisfisch) werden schon jetzt in der Krebsforschung verwendet. Eine Lebensspanne von bis zu fünf Jahren beim Zebrafisch bzw. zwei Jahren bei Medaka schränken deren Anwendung in der Alternsforschung zur genauen Untersuchung alternsbedingter Prozesse weitgehend ein, da sie zu langwierig und kostspielig sind.

Forschenden des Leibniz-Instituts für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena ist es nun erstmalig mit Hilfe der CRISPR/Cas9-Technologie gelungen, einen transparenten Killifisch (Nothobranchius furzeri) namens „klara“ zu generieren, der mit einer Lebensspanne von maximal nur einem Jahr in-vivo-Untersuchungen alternsbedingter Prozesse möglich macht. Damit können neue Erkenntnisse zur Rolle und Funktion von Zellen zukünftig viel umfassender und detaillierter untersucht werden. Die aktuelle Studie wurde jetzt in dem renommierten Journal „eLife“ publiziert.

Türkiser Prachtgrundkärpfling - Tiermodell in der Alternsforschung

„Wir haben den ursprünglich aus Ostafrika stammenden Killifisch, der aufgrund seiner schönen markanten Färbung auch als Türkiser Prachtgrundkärpfling bekannt ist, in den letzten Jahren hier bei uns am Institut erfolgreich als neuen Modellorganismus in der Alternsforschung etabliert“, berichtet Prof. Christoph Englert, Forschungsgruppenleiter am Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena und Professor für Molekulare Genetik an der FSU Jena. „Dieser Fisch ist mit einer maximalen Lebensspanne von bis zu einem Jahr das bisher kurzlebigste Wirbeltier, das im Labor gehalten werden kann. Zudem ist er dem Menschen genetisch ähnlich, altert extrem schnell und zeigt typische Alterserscheinungen, was ihn sehr interessant für die Alternsforschung macht,“ ergänzt Prof. Englert.

Mit der vollständigen Sequenzierung des Genoms von N. furzeri am FLI wurde eine wichtige Grundlage für zukünftige Analysen geschaffen, beispielsweise um gezielt Gene an- und aus-zuschalten und dadurch etwas über den Einfluss einzelner Gene auf das Altern oder in Bezug auf alternsbedingte Krankheiten zu lernen.

Inaktivierung der Pigmentierung durch CRISPR/Cas9-Technologie

„Beim Türkisen Prachtgrundkärpfling sind es im wesentlichen drei Gene, die für die sehr schöne Färbung der Fische verantwortlich sind“, erläutert Dr. Johannes Krug, Postdoc in der Forschungsgruppe Englert. „Durch die Verfügbarkeit der Genomsequenz des Killifisches ergab sich für uns die Möglichkeit, zu untersuchen, ob sich mit Hilfe sequenzspezifischer Genomeditierungsmethoden, wie beispielsweise der CRISPR/Cas9-Methode, die für die Pigmentierung der Fische verantwortlichen Gene entfernen lassen, um einen transparenten Fisch für die Anwendung in der Alternsforschung zu erhalten. Diese Untersuchungen waren Hauptbestandteil meiner Doktorarbeit am FLI.“

„Klara“ – der transparente Killifisch

CRISPR/Cas9 ist eine molekularbiologische Methode, mit der man wie mit einer Art Schere, gezielt Gene inaktivieren oder modifizieren kann. Durch Anwendung dieser Methode gelang es den Jenaer Forschenden, die für die Pigmentierung des Fisches verantwortlichen Gene zu deaktivieren und so erstmals einen transparenten Killifisch zu generieren. Die transparente Fisch-Linie, die von den Forschenden „klara“ genannt wurde, ermöglicht nun am lebenden Tier eine Visualisierung der inneren Organe sowie deren Entwicklung. Gewissermaßen ein klarer, ungetrübter (Durch-)Blick auf die Prozesse im Körper.

Die transparente Fisch-Linie umfasst derzeit etwa 200 Tiere am FLI, sowohl Männchen als auch Weibchen, die nun in zahlreichen Projekten der Alternsforschung eingesetzt werden können.

Welche Rolle spielen seneszente Zellen im Alternsprozess?

„Unser transparenter Fisch hat ein großes Potential für die Alternsforschung und eröffnet ein breites Spektrum völlig neuer Anwendungsmöglichkeiten. In meiner Gruppe wird die neue transparente Fisch-Linie bereits für in-vivo-Studien von seneszenten Zellen eingesetzt“, berichtet Prof. Englert. Seneszente Zellen sind Zellen, die sich nicht mehr teilen und durch die stetige Freisetzung entzündungsfördernder Stoffe umliegende Zellen und das Gewebe beeinflussen. Bisher ist nur wenig über die Rolle und Funktion dieser Zellen bekannt.

Man weiß, dass es beim Menschen, aber auch bei der Maus oder dem Killifisch mit zunehmendem Alter zu einem Anstieg seneszenter Zellen kommt, die im Alternsprozess im Körper eine Art Dauerentzündung hervorrufen. Die gezielte Entfernung seneszenter Zellen könnte daher zu einer besseren Gesundheit oder gar zur Verlangsamung des Alternsprozesses beitragen. Die Erforschung und Entwicklung von Substanzen, sogenannter Senolytika, die die seneszenten Zellen wirkungsvoll aus dem Körper entfernen können, ist daher nicht nur für die Pharma- und Anti-Aging-Industrie, sondern auch für die Alterns-forschung von großem Interesse.

„Mit dem Einsatz der klara-Linie haben wir nun die Möglichkeit, die Rolle von seneszenten Zellen im lebenden Organismus auf molekularer Ebene live zu erforschen. Durch Markierung mit Fluorophoren und anschließenden fluoreszenzmikroskopischen Untersuchungen können wir erfahren, wo diese wann im Körper auftreten, ob sie an bestimmten Orten im Körper eventuell gehäuft vorkommen und welche Auswirkungen ihre Entfernung auf die umliegenden Zellen und Gewebe hat“, hebt Dr. Krug die Vorteile von „klara“ hervor. Dies wird zu neuen Erkenntnissen bezüglich der Rolle und Funktion dieser speziellen Zellpopulation während des Alterns führen.

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