Den Datendschungel durchschauen
Forschungsteam entwickelt Anwendung zur Veranschaulichung von Einzelzelldaten
Antibiotikaresistenzen sind weltweit auf dem Vormarsch und stellen das Gesundheitswesen vor große Herausforderungen. Es gilt also herauszufinden, wie und warum manche Bakterien Resistenzen entwickeln. Dafür ist es wichtig, die zugrundeliegenden Prozesse zu verstehen. Unterschiede in der bakteriellen Genexpression, bei der die Information eines Gens abgelesen wird, könnten Hinweise liefern. Als bedeutendes Hilfsmittel für deren Analyse hat sich die bakterielle Einzelzell-RNA-Sequenzierung, kurz „scRNA-seq“ (von engl. single-cell RNA sequencing), erwiesen. Diese Technologie liefert ein genaues Abbild der Expression von Genen in einer einzelnen Zelle zu einem bestimmten Zeitpunkt. Sie ermöglicht so Rückschlüsse auf die molekularen Grundlagen der Zellaktivität – mit einem großen Manko: Sie erzeugt riesige Datensätze, die für Forschende schwer zu visualisieren und zu analysieren sind. Entsprechend groß ist der Bedarf an neuen Ansätzen und Werkzeugen, um diese Informationen zu veranschaulichen und verstehen.
Eine solche Anwendung haben nun Forschende vom Würzburger Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI), einem Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU), und Designer der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) gemeinsam entwickelt. Deren Desktop-Anwendung, genannt sCIRCLE (single-Cell Interactive Real-time Computer visualization for Low-dimensional Exploration), ermöglicht eine interaktive 3D-Visualisierung von Daten, die mithilfe von scRNA-seq erzeugt wurden. Damit können Nutzer:innen Daten einzelner Zellen, inklusive Metadaten, aus verschiedenen Blickwinkeln und in Echtzeit betrachten.
Sie können auf eine Variation an Filtern und Einstellungen zurückgreifen, um zu sehen, welche Gene in den einzelnen Zellen zu bestimmten Zeitpunkten exprimiert wurden. Auf diese Weise können Forschende bestimmte Zellpopulationen oder Gene von Interesse genauer untersuchen. „sCIRCLE ist zudem ein gutes Kommunikationsmittel, wenn es darum geht, Datensätze gemeinsam zu prüfen oder Ergebnisse zu kommunizieren“, sagt Lars Barquist. Der Bioinformatiker hat die Studie initiiert und leitet eine Forschungsgruppe am Helmholtz-Institut Würzburg. Barquist ist außerdem Professor an der University of Toronto in Kanada. sCIRCLE ist bereits mit Virtual Reality-Geräten kompatibel und stellt somit einen Schritt in Richtung immersiver 3D-Datenvisualisierung und -interaktion dar.
Eine fächerübergreifende Zusammenarbeit mit Zukunft
Dabei überzeugt sCIRCLE durch seine Benutzerfreundlichkeit: „Die Benutzeroberfläche der Anwendung ist einfach zu bedienen und intuitiv gestaltet. sCircle ist daher besonders für Biolog:innen ohne umfassende Bioinformatik-Kenntnisse von Nutzen“, ergänzt Barquist. Daten möglichst einfach und dennoch visuell ansprechend darzustellen und damit zugänglich zu machen, stand im Vordergrund der gemeinsamen Arbeit: „Die Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen Bioinformatik und Design ist enorm wichtig, da unsere Datensätze immer umfangreicher werden und wir neue Wege brauchen, um sie für den Menschen verständlich zu machen“, sagt Barquist.
Um das Projekt zu realisieren, verbrachte der THWS-Masterstudent Maximilian Seeger einige Zeit als Gast in der HIRI-Forschungsgruppe. Dort hatte er die Möglichkeit, direkt mit den Wissenschaftler:innen zusammenzuarbeiten. „So konnte ich verstehen, welche Fragestellungen sie mit ihren Daten erforschen wollen und eine Benutzeroberfläche entwickeln, die dies ermöglicht“, berichtet Seeger. In Testläufen mit Daten, die HIRI-Forschende aus verschiedenen Gruppen selbst erhoben hatten, konnten sie sCircle ausprobieren und Rückmeldung geben. Die Ergebnisse hat das Forschungsteam in der Fachzeitschrift NAR Genomics and Bioinformatics veröffentlicht.
„Die gemeinsame Entwicklung von sCIRCLE zeigt, wie wichtig fach- und institutionsübergreifende Kooperationen sind. Ich freue mich, dass wir in diesem Projekt die Expertise zweier Würzburger Institutionen so erfolgreich bündeln konnten. Ich hoffe auf weitere Kooperationen in der Zukunft“, sagt Erich Schöls. Der Professor für Interaktive Medien an der THWS hat Maximilian Seeger gemeinsam mit Lars Barquist betreut.
„Dies ist hoffentlich nur ein erster Schritt auf dem Weg zur Entwicklung intuitiver, interaktiver Werkzeuge für die Datenanalyse“, sagt Barquist optimistisch und blickt bereits in die Zukunft: „Wir werden auf dieser Grundlage aufbauen, um unsere Tools noch immersiver und benutzerfreundlicher zu gestalten.“ Während diese Anwendung derzeit nur eine Basisintegration von Virtual Reality bietet, will das Team zukünftig weitere einfach nutzbare virtuelle Räume für die Datenerkundung schaffen.
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Die Zellanalyse ermöglicht es uns, Zellen in ihren vielfältigen Facetten zu erforschen und zu verstehen. Von der Einzelzellanalyse über die Durchflusszytometrie bis hin zur Bildgebungstechnologie – die Zellanalyse bietet uns wertvolle Einblicke in die Struktur, Funktion und Interaktion von Zellen. Ob in der Medizin, der biologischen Forschung oder der Pharmakologie – die Zellanalyse revolutioniert unser Verständnis von Krankheiten, Entwicklung und Behandlungsmöglichkeiten.
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