Forschungsteam entschlüsselt Gift der Schwarzen Witwe
Kryoelektronenmikroskopie zeigt Molekülstruktur in nahezu atomarer Auflösung: Simulationen erklären Wirkung auf menschliche Nervenzellen
Um den Mechanismus des Kalzium-Einstroms in die präsynaptische Membran besser zu verstehen, haben Experten des Centers für Soft Nanoscience der Universität Münster unter der Leitung von Prof. Dr. Christos Gatsogiannis (Institut für Medizinische Physik und Biophysik) und Prof. Dr. Andreas Heuer (Institut für Physikalische Chemie) zusammengearbeitet. Sie setzten Hochleistungs-Kryo-Elektronenmikroskopie (Kryo-EM) und Molekulardynamik- (MD-) Computersimulationen ein. Sie zeigten: Beim Binden an den Rezeptor durchläuft das Toxin eine bemerkenswerte Umwandlung. Ein Teil des giftigen Moleküls formt sich zu einem Stiel, der wie eine Spritze in die Zellmembran eindringt. Als eine Besonderheit bildet dieser Stiel in der Membran eine kleine Pore, die als Kalzium-Kanal fungiert. MD-Simulationen legten offen, dass Kalzium-Ionen durch einen seitlich gelegenen selektiven Eingang direkt oberhalb der Pore in die Zelle strömen können.
Dank dieser Ergebnisse lässt sich nun den Wirkmechanismus von α-Latrotoxin verstehen. „Das Toxin ahmt auf hochkomplexe Weise die Funktion natürlicher Calcium-Kanäle der präsynaptischen Membran nach“, erklärt Christos Gatsogiannis. „Es unterscheidet sich damit in jeder Hinsicht von allen bislang bekannten Toxinen.“ Die neuen Erkenntnisse eröffneten vielfältige Anwendungsmöglichkeiten: Latrotoxine hätten ein erhebliches biotechnologisches Potenzial, darunter die Entwicklung verbesserter Gegengifte, Behandlungen für Lähmungen sowie neue Biopestizide.
Die Forschungsergebnisse sind aktuell in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht. In vorangegangenen Arbeiten hatte die Forschungsgruppe um Christos Gatsogiannis bereits die Struktur von insektenspezifischen Latrotoxinen im Gift der Schwarzen Witwe vor der Einlagerung in die Membran entschlüsselt.
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