Die Waffen der Salmonellen sind enttarnt

07.03.2011 - Österreich

Bakterien wie etwa Salmonellen infizieren ihre Wirtszellen über nadelartige Fortsätze, die sie bei einer Attacke in großer Zahl aufbauen. Mit neu entwickelten Methoden der Kryo-Elektronenmikroskopie konnten Wiener Forscher um Thomas Marlovits die Struktur dieses Infektionsapparats im nahezu atomaren Bereich auflösen. Das Wissen um den exakten Bauplan soll bei der Entwicklung von Medikamenten helfen, die die Infektion unterbinden.

IMP-IMBA

Dreidimensionale Rekonstruktion des Nadelkomplexes von Salmonella.

„Sesam öffne dich“ für Bakterien

Pest, Typhus, Cholera - einige der verheerendsten Krankheiten werden von Bakterien ausgelöst, denen eines gemeinsam ist: sie verfügen über einen effizienten Infektionsapparat, der als Waffe fast unschlagbar ist. Beim Befall einer Körperzelle bauen sie zahlreiche hohlnadelartige Strukturen auf, die aus der Bakterienhülle ragen. Durch diese Nadeln injizieren sie Signalstoffe in die Wirtszellen, die diese umprogrammieren und ihre Abwehr überwinden. Fortan haben die Krankheitserreger leichtes Spiel und können ungehindert in großer Zahl in die Zellen eindringen.

Der Biochemiker und Biophysiker Thomas Marlovits, Gruppenleiter an den Wiener Instituten IMP (Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie) und IMBA (Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften), beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit dem Infektionskomplex von Salmonellen. Bereits im Jahr 2006 konnte er beschreiben, wie der Aufbau des Nadelkomplexes von Salmonella typhimurium vor sich geht (Nature 441, 637-640). Nun gelang es ihm und seinem Doktoranden Oliver Schraidt, die dreidimensionale Struktur in extrem hoher Auflösung darzustellen. Das Team konnte Einzelheiten mit Dimensionen von 5-6 Angström sichtbar machen – das sind nahezu atomare Größenordnungen.

Wie gesehen, so zerstört

Nie zuvor wurde das Infektionswerkzeug von Salmonellen mit derartiger Präzision dargestellt. Erreicht wurde dies durch den kombinierten Einsatz von hochauflösender Kryo-Elektronenmikroskopie und eigens entwickelter Imaging-Software. Das „coolste Mikroskop Österreichs“ erlaubt es, biologische Proben bei minus 196 Grad schockzugefrieren und in diesem Zustand weitgehend unverfälscht zu betrachten. Allerdings kämpfen die Wissenschaftler beim immer stärkeren „Heranzoomen“ an ihr Objekt mit einem tückischen Problem: der energiereiche Elektronenstrahl fällt so konzentriert auf die Probe, dass diese mit dem ersten Bild auch schon wieder zerstört ist.

Die Wiener Forscher lösten das Problem mit bildverarbeitenden Algorithmen und mit der schieren Masse der Bilder. Sie analysierten rund 37 000 Aufnahmen von isolierten Nadelkomplexen. Ähnliche Bilder wurden zusammengefasst und miteinander verrechnet; so lässt sich aus zahlreichen, sehr rauschbehafteten Aufnahmen ein einzelnes, scharfes dreidimensionales Bild generieren. Die enorme Rechenleistung lieferte ein Cluster von rund 500 zusammengeschalteten Computern.

Mikroskopieren ohne störende Menschen

Um die große Zahl an Aufnahmen zu erreichen, erledigte das Mikroskop die Arbeit teilweise automatisch in den Nachtstunden. Das hat wesentliche Vorteile, denn Menschen stören dabei nur. Sie atmen, sprechen und bewegen sich und erschüttern dadurch das empfindliche Mikroskop. Selbst ein fahrender Aufzug kann den Elektronenstrahl irritieren.

Das Kryo-Elektronenmikroskop am IMP-IMBA ist das einzige seiner Art in Österreich. Der hohe technische Aufwand, der mit seinem Betrieb einhergeht, macht sich für die Forscher bezahlt. Das Vordringen in den Subnanometer-Bereich erschloss ihnen eine weitere Möglichkeit, ihre Erkenntnisse zu verfeinern. Sie konnten bereits vorhandene Daten, die durch Kristallographie gewonnen wurden, in die Nadelstruktur „einpassen“ und das dreidimensionale Bild damit perfekt ergänzen. Mit dieser Hybridmethode gelang es ihnen, den kompletten Bauplan des Infektionsapparats aufzuklären.

Für Thomas Marlovits stellt die Technologie einen Innovationsschub dar: „Mit den Methoden, die wir für unsere Arbeit entwickelt haben, konnten wir das „Imaging“-Verfahren auf einem hohen Niveau etablieren. Die fantastische Infrastruktur, die wir hier am Campus Vienna Biocenter zur Verfügung haben, können wir damit bis an ihre Grenzen ausreizen.“

Die Erkenntnisse bringen nicht nur die Grundlagenforschung voran, so Marlovits: „Es ist denkbar, dass sich auf der Basis unserer Daten eine Substanz entwickeln lässt, die sich in den Nadelkomplex einbaut und seine Funktion stört. Dann hätten wir ein sehr wirksames Medikament – nicht nur gegen Salmonellen, sondern auch gegen andere Krankheitserreger, die dieses System nutzen, etwa die Auslöser von Cholera, Pest und Typhus.“

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