Neue Methode liefert 3D-Bilder über die Chemie der Zelle

Chemische Zusammensetzung biologischer Proben lässt sich nun kostengünstig dreidimensional untersuchen

26.11.2014 - Deutschland

Wie Wirkstoffe in Zellen aufgenommen und wo sie dort verarbeitet werden, lässt sich nur indirekt über aufwändige Experimente nachweisen. Um die chemische Zusammensetzung solcher Proben abzubilden, kombinieren Wissenschaftler deshalb bildgebende Spektroskopieverfahren mit infrarotem Licht (für Menschen nicht sichtbar) mit besonderen Mikroskopiemethoden. Einem Team aus Tübinger und Schweizer Wissenschaftlern ist es nun erstmals gelungen, die Verteilung von molekularen Zellbestandteilen mit konventionellen Laborgeräten auch dreidimensional darzustellen. Das ist bahnbrechend, weil bisherige Abbildungen stets zweidimensional waren und sich nicht immer bestimmen ließ, in welchem Teil der Zelle ein chemischer Stoff zu finden ist. Zwar konnten 2013 mit einem Elektronenbeschleuniger als Lichtquelle, einem „Synchrotron“, dreidimensionale Darstellungen erzeugt werden ‒ aber diese Methode lässt sich wegen hoher Kosten und beschränkten Zugangs zu Großforschungseinrichtungen nur eingeschränkt nutzen.

Die nun entwickelte Methode ist vergleichsweise kostengünstig und kann in der biologischen und pharmazeutischen Forschung sowie der Umweltforschung eingesetzt werden: Dr. Martin Obst und Professor Marcus Nowak vom Fachbereich Geowissenschaften der Universität Tübingen sowie die Schweizer Wissenschaftler Dr. Luca Quaroni (Université de Fribourg, Schweiz, derzeit Functional Genomics Center Zurich) und Professor Fabio Zobi (Université de Fribourg, Schweiz) koppelten dafür ein in Tübingen entwickelten Tomografiegerät mit einem modernen Infrarot-Labormikroskop, das mit einem bildgebenden Detektor ausgestattet ist. Dieses nimmt in Kippserientechnik Projektionen der Zellproben in 38 verschiedenen Winkeln auf und liefert eine detaillierte spektromikroskopische Bildfolge, aus der sich der dreidimensionale chemische Aufbau der Zellen rekonstruieren lässt. Die Wissenschaftler erzeugten mit dem neuen Ansatz Abbildungen der dreidimensionalen Verteilung von molekularen Zellbestandteilen, ohne dass die Zelle dafür angefärbt oder in irgendeiner Weise verändert werden musste, wie dies etwa für eine Untersuchung mit sichtbaren Licht nötig ist. Das Team konnte zudem die Verteilung eines Metall-Carbonyl-Komplexes – einer Modellsubstanz für eine Klasse neuartiger pharmazeutischer Wirkstoffe – in einer einzelnen Zwiebelzelle abbilden und die Anreicherung der Substanz im Zellkern mengenmäßig erfassen.

Nach Einschätzung der Forscher wird die Möglichkeit, derartige dreidimensionale analytisch-mikroskopische Untersuchungen mit konventionellen Laborgeräten durchzuführen, bei Wissenschaftlern in der biologischen und pharmazeutischen Forschung auf großes Interesse stoßen. Die Tübinger Geowissenschaftler Martin Obst und Marcus Nowak selbst werden die Methode in der Umweltforschung und der Vulkanologie anwenden. So untersucht Martin Obst beispielsweise im Schwarzwald, wie sich in sogenannten Biofilmen Metalle aus Bergbauabwässern anreichern. Diese Biofilme bestehen aus bis zu zentimeterdicken Schichten von Mikroorganismen und bilden sich fast überall dort, wo Wasser in Bergwerksstollen austritt. Marcus Nowak untersucht die räumliche Verteilung von gelöstem Wasser und Kohlendioxid in vulkanischen Gläsern, um Erkenntnisse über Entgasungsprozesse während vulkanischer Eruptionen zu erlangen.

M. Obst/Universität Tübingen

Metall-Carbonyl-Komplexe sind Modellsubstanz für pharmazeutische Wirkstoffe: Die dreidimensionale Darstellung zeigt, wie ein Metall-Carbonyl-Komplex in einer Zelle verteilt ist.

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