Extrem leitfähige Oberfläche

Multi-Spitzen-Rastertunnelmikroskop liefert neuen Wert für den Oberflächenwiderstand von Silizium

07.08.2015 - Deutschland

Silizium ist das mit Abstand am weitesten verbreitete Material in der Halbleiterindustrie. Doch seine elektronischen Eigenschaften sind immer noch nicht vollständig erforscht. An seiner Oberfläche leitet es den elektrischen Strom bis zu tausendmal besser als im Inneren. Wie gut genau, haben Jülicher Wissenschaftler nun mit bislang unerreichter Genauigkeit erfasst. Für ihre Messung der Oberflächenleitfähigkeit verwendeten sie ein speziell ausgerüstetes Rastertunnelmikroskop mit vier Spitzen. Der ermittelte Wert steht im Einklang mit aktuellen Ergebnissen, während ältere Messungen sich um mehrere Größenordnungen voneinander unterschieden.

Forschungszentrum Jülich

Nahaufnahme des Multispitzen-Mikroskops

Wie viele andere Materialien auch, weist Silizium an seiner Oberfläche ganz besondere Eigenschaften auf. Sie gewinnen umso mehr an Bedeutung, je kleiner der Körper wird. Denn die Oberfläche wird dann im Verhältnis zum Gesamtvolumen immer größer. Aus diesem Grund rücken die speziellen Eigenschaften der Oberfläche insbesondere in der Nano- und Halbleitertechnologie in den Fokus, bei denen der Trend zu immer kleineren Elektronikbauteilen führt.

Doch die Messung der grundlegenden elektronischen Oberflächeneigenschaft, der Oberflächenleitfähigkeit, ist alles andere als einfach. Bislang war es kaum möglich, den gemessenen elektrischen Strom, der über die Oberfläche fließt, sauber vom Stromfluss durch das Innere des Materials zu trennen. Entsprechend stark streuten die Messergebnisse in den letzten 20 Jahren. Die ermittelten Werte für die sogenannte (7x7)-Oberfläche von Silizium wichen um bis zu vier Größenordnungen voneinander ab.

Bei dieser vielfach wissenschaftlich untersuchten Oberflächenstruktur ordnen sich die Atome am Rand des Siliziumkristalls aufgrund der nach außen hin abgeschnittenen Bindungen in einem Muster aus dreieckigen Zellen an. Mithilfe eines neuen Instruments konnten die Jülicher Wissenschaftler nun mit bislang unerreichter Genauigkeit messen, dass die Leitfähigkeit dieser Schicht etwa tausendmal höher ist als die einer entsprechenden Schicht im Innern des Siliziumkristalls. Die von ihnen ermittelte Oberflächenleitfähigkeit von 9 Mikrosiemens liegt in etwa in der Mitte zwischen typischen Werten für Halbleiter und Metalle.

Neues Multimeter für die Nanowelt

Für ihre Experimente verwendeten die Wissenschaftler um Bert Voigtländer ein Rastertunnelmikroskop mit mehreren Spitzen, das sie speziell für die Messung der elektronischen Eigenschaften entwickelt haben. "Man kann sich das vorstellen wie ein Multimeter, also ein Gerät zur Strom- und Spannungsmessung, nur auf der Nanoskala", erläutert Voigtländer.

"Die Analyse-Methode, die wir entwickelt haben, lässt sich auch auf verschiedenste andere Systeme in der Nanoelektronik anwenden. Mithilfe unseres Ansatzes wird es beispielsweise möglich, Leckströme, die in elektronischen Bauelementen ungewollt über die leitfähigen Oberflächen fließen, exakt zu berechnen. So lassen sich deren negative Auswirkungen auf die Effizienz der Bauteile schon in der Entwicklungsphase mit berücksichtigen und so weit wie möglich minimieren. Andererseits könnten Oberflächen aber auch gezielt als zusätzliche leitfähige Kanäle genutzt werden", erläutert Sven Just, Doktorand am Jülicher Peter Grünberg Institut. Die präzise Messtechnik schafft auch neue Möglichkeiten für den Bau von Sensoren, etwa zum Nachweis von Gasen, die im Kontakt mit der Oberfläche deren Leitfähigkeit beeinflussen.

Als nächstes Ziel haben die Forscher nun die Untersuchung von topologischen Isolatoren im Visier: Die Materialklasse gilt aufgrund ihrer ungewöhnlichen Eigenschaften als Top-Kandidat für neuartige nanoelektronische Bauelemente der Zukunft. Entsprechende Materialien verhalten sich im Innern wie ein elektrischer Isolator, während sie den elektrischen Strom an ihrer Oberfläche ähnlich gut leiten wie ein elektrischer Leiter, was die Tür zu neuen Anwendungen in der Informationsverarbeitung und Sensorik öffnen könnte.

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