Die Navigation von Spermien in 3D
Wissenschaftler des Bonner Forschungszentrums caesar, einem Institut der Max-Planck-Gesellschaft, haben aufgeklärt, wie sich Seeigelspermien in ihrer natürlichen dreidimensionalen (3D) Umgebung orientieren. Eizellen setzen Lockstoffe frei, die den Spermien den Weg weisen. Mit photonischen Methoden erzeugten die Wissenschaftler chemische “Landschaften” dieser Lockstoffe und beobachteten mit der Holographie-Mikroskopie die Navigationsstrategie.

Graphische Komposition, basierend auf realen Messungen. Rot: Projektion einer Wolke, die mit licht-aktivierbaren Lockstoffen erzeugt wurde. Grün: Schwimmbahn eines Spermiums
Forschungszentrum caesar
Um sich fortzupflanzen, schütten Seeigel ihre Eizellen und Spermien ins Wasser; dort, im weiten Ozean, müssen sie sich finden. Da die Eizelle nur ein zehntel Millimeter groß ist, scheint dies für die Spermien – ohne sehen, hören und fühlen zu können! – eine unlösbare Aufgabe zu sein. Wie schaffen die Spermien es dennoch, diese knifflige Aufgabe zu bewältigen? Spermien von Seeigeln nutzen eine sehr empfindliche und verlässliche Navigationsstrategie; schließlich leben diese Arten schon seit etwa 400 Millionen Jahren auf unserem Planeten. Für die Spermiennavigation interessieren sich Forscher schon seit über einem Jahrhundert. Der Spermienschwanz dient einerseits als Antenne, die ihre Umgebung abtastet, andererseits aber auch als Motor oder Ruder, mit dem sich die Zelle fortbewegt und die Schwimmrichtung kontrolliert. Zwar sind chemische Lockstoffe, die den Spermien den Weg zur Eizelle weisen, bereits seit vielen Jahren identifiziert worden. Dennoch war die „Suchstrategie“, mit der sich die Spermien in einem Lockstoffgradienten orientieren, bislang unbekannt. In einer Studie, jüngst erschienen im renommierten Fachjournal Nature Communications, fanden die Wissenschaftler des Forschungszentrums caesar in Zusammenarbeit mit ihren Kollegen aus Harvard in Boston, der Universität York in Großbritannien und vom Max-Planck-Institut für die Physik komplexer Systeme in Dresden die fehlenden Bausteine, um das Rätsel der Spermien-Navigation zu lösen. Die Forscher zeichneten die dreidimensionale Bewegung der Spermien auf, während sich diese in einem Lockstoffgradienten orientieren. Mithilfe einer Kombinationen von holographischer Mikroskopie und dem Einsatz licht-aktivierbarer Lockstoffe überprüften die Wissenschaftler theoretische Modelle der Spermien-Navigation.
“Unser Wissen über die dreidimensionale Navigation was bislang dürftig, da es technisch sehr anspruchsvoll ist, frei schwimmende Spermien unter dem Mikroskop zu verfolgen. Bislang beobachtete man schnell schwimmende Mikroschwimmer wie Spermien meist in flachen Beobachtungskammern, also in einer zweidimensionalen Umgebung. Mithilfe der Holographie konnten wir die Bewegung von Spermien erstmals in 3D aufzeichnen. Wir haben dazu chemische “Landschaften” des Lockstoffes mit photonischen Methoden erzeugt, also den Lockstoff mit Licht freigesetzt”, so Prof. U. B. Kaupp, wissenschaftlicher Direktor von caesar.
Die Studie zeigt, welch ausgeklügelte „Rechenoperationen“ die Spermien während ihrer Navigation durchführen müssen. Im Gegensatz zu Bakterien, die auf ihrer Suche nach Nahrung die Richtung immer wieder zufällig einschlagen – frei nach dem Motto „trial and error“ –, verfolgen Spermien eine gezielte „berechnete“, also deterministische Suchstrategie. Dabei führen Spermien unterschiedliche Steuerungsmanöver durch, je nachdem, wie hoch die Lockstoffkonzentration ist. Führt die Spur auf das Ei zu, korrigieren sie die Bewegungen auf ihrer helikalen Bahn nur leicht. Haben sie die Fährte jedoch verloren, so drehen sie ruckartig um. Die Wissenschaftler konnten die zellulären Mechanismen aufklären, die dieser Steuerung zugrunde liegen. Die Studie zeigt, mit welch hoher Komplexität Spermien eine chemische Landschaft erkunden und wie sie diese Informationen nutzen, um ihren Flagellenschlag zu kontrollieren.
„Lebewesen können also nicht nur mit ihrem Sehsinn präzise Informationen über ihre dreidimensionale Umgebung erlangen. Spermien stellen ein hervorragendes Modell dar, um zu untersuchen, wie selbst einzelne Zellen ihre dreidimensionale Umgebung erkunden und so ihr Überleben sichern können“, fasst Luis Alvarez, der Projektleiter, die Ergebnisse zusammen.
Originalveröffentlichung
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