Erste Filmaufnahmen von Kernporen

04.05.2016 - Schweiz

Mithilfe eines extrem schnellen und präzisen Rasterkraftmikroskops haben Forscher der Universität Basel erstmals «lebendige» Kernporenkomplexe bei der Arbeit gefilmt. Kernporen sind molekulare Maschinen, die den Verkehr in und aus dem Zellkern kontrollieren. In ihrem kürzlich in «Nature Nanotechnology» publizierten Artikel erklären die Forscher, wie bewegliche «Tentakeln» in der Pore die Passage von unerwünschten Molekülen verhindern.

University of Basel

Videoaufnahmen mit Hochgeschwindigkeits-AFM zeigen native Kernporenkomplexe bei der Arbeit; der Massstabsbalken beträgt 10 Nanometer.

Das Rasterkraftmikroskop (AFM) ist kein Mikroskop zum Durchschauen. Es tastet wie ein Blinder mit seinen Fingern die Oberflächen mit einer extrem feinen Spitze ab und kann so selbst millionstel Millimeter kleine zelluläre Strukturen erkennen. So auch die Poren in der Hülle des Zellkerns. Normalerweise ist diese Messung langsam und benötigt für die Aufnahme eines einzelnen Bildes bis zu einer Minute. Moderne Hochgeschwindigkeits-AFM nehmen dagegen mehrere hundert Bilder pro Minute auf und können so Moleküle in Aktion filmen.

Mithilfe eines solchen Geräts konnte Roderick Lim, Argovia-Professor am Biozentrum und dem Swiss Nanoscience Institut der Universität Basel, nun nicht nur die selektive Barriere der Kernporen, sondern auch ihr dynamisches Verhalten sichtbar machen. Damit gelang es den Forschern, das langjährige Mysterium, wie unerwünschten Molekülen der Einlass zum Zellkern verwehrt wird, zu enträtseln.

Kernporenkomplexe steuern Passage von Molekülen

Die Struktur von Kernporen ist seit langem bekannt. Dabei handelt es sich nicht um einfache Löcher, sondern um wichtige Verkehrsknotenpunkte, die zu Tausenden die Hülle des Zellkerns durchziehen. Sie bestehen aus etwa 30 verschiedenen als Nukleoporine bezeichneten Proteinen, die einen Ring mit einem Transportkanal bilden. Innerhalb der Pore bilden mehrere ungeordnete Proteine (FG-Nup) eine selektive, mit einem Filter vergleichbare Barriere. Während kleine Moleküle diese Barriere passieren können und so ins Kerninnere gelangen, werden grosse Proteine dagegen aufgehalten. Eine Ausnahme stellen Proteine dar, die im Zellkern zum Beispiel für die Reparatur oder Verdoppelung der Erbinformation gebraucht werden. Sie tragen ein spezielles «Adressschild» und werden mithilfe von Transportproteinen durch die Pore in den Zellkern geschleust.

Superschnelles AFM offenbart dynamische Vorgänge

«Mit dem Hochgeschwindigkeits-AFM konnten wir das erste Mal in die nur 40 Nanometer grossen Kernporenkomplexe hineinschauen», erklärt Lim. «Diese Methode ist wirklich bahnbrechend, denn damit konnten wir die einzelnen FG-Nups sehen und sie in Action filmen. Das war zuvor unmöglich!»

Um in das Innere der Pore hineinzugelangen, musste Yusuke Sakiyama, Doktorand in der Forschungsgruppe von Lim, auf jeder einzelnen Messspitze eine winzige Karbon-Nanofaser wachsen lassen. Mit den damit aufgenommenen Bildern, die zu kurzen Videosequenzen zusammenfügt wurden, konnten die Forscher nun erstmals die «lebensechte» Dynamik biologischer Vorgänge auf Nanoebene beobachten.

Barriere aus wogenden molekularen «Tentakeln»

Aufgrund der hohen räumlichen und zeitlichen Auflösung konnten die Forscher zeigen, dass die FG-Nup-Filamente sehr beweglich sind. «Es sind keine steifen Borsten, ganz im Gegenteil, wie dünnste Tentakeln schwingen sie, strecken oder ziehen sich zusammen oder verknäulen sich innerhalb der Pore», sagt Lim. Die Schnelligkeit ihrer Bewegungen entscheidet darüber, welche Moleküle die Pore passieren können. «Die FG-Nups bewegen sich viel schneller als grosse Proteine und versperren ihnen so den Zugang zum Kernporenkomplex», so Lim. «Kleine Moleküle sind hingegen schneller und können daher die FG-Nup-Barriere überwinden.»

Mit dem Verständnis über die Funktionsweise der Kernporenkomplexe in lebenden Zellen möchte Lim, der Mitglied des Nationalen Forschungsschwerpunkts Molecular Systems Engineering ist, nun herausfinden, wie solche dem Kernporenkomplex nachempfundene selektive Filter den molekularen Verkehr in nicht-biologischen System regulieren könnten.

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