Erstmals in Echtzeit beobachtet: Wie Nanopartikel durch Zellmembranen wandern
Grafik: Vladimir Baulin
Dadurch, dass verlässliche Methoden fehlen, um Nanopartikel zu überwachen, und dass es eine unüberschaubare Zahl von Mechanismen gibt, die potenziell zu toxischen Wirkungen der Nanopartikel führen könnten, entstehen widersprüchliche Vorschriften im Umgang mit Nanotoxizität: Beispielsweise können manche Nanopartikel in Hautcrèmes nicht durch die menschliche Haut dringen, sehr wohl aber durch die Lunge oder die Nasenschleimhaut. Im Detail ist es immer noch nicht klar, wie manche Nanopartikel mit menschlichem Gewebe und Barrieren interagieren. Eine enorme Schwierigkeit besteht in der Herausforderung, einzelne Nanopartikel sichtbar zu machen. Objekte auf Nanoebene sind unterhalb des Auflösungsvermögens optischer Mikroskope. Daher müssen Wissenschaftler spezielle Techniken verwenden, um Vorgänge auf der Nanoebene sichtbar zu machen. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass sich die winzigen Partikel ständig fortbewegen: Die Vorgänge, in denen Nanopartikel eine Rolle spielen, dauern oft nur Sekundenbruchteile. Die Messmethode müsste also in der Lage sein, solch schnelle Vorgänge aufzulösen.
Basierend auf diesen Grundgedanken hat ein Team aus theoretischen Physikern der spanischen Universität Tarragona um Professor Vladimir Baulin ein Forschungsprojekt entworfen, um die Wechselwirkung zwischen Nanopartikeln und Phospholipid-Doppellagen zu untersuchen, die als künstlichen Zellmembranen angesehen werden können. Wie sie im Computermodell herausfinden konnten, wanderten so genannte hydrophobe (wasserabstoßende) Nanopartikel in eine solche Phospholipid-Doppelschicht und blieben dort stecken. Diese Erkenntnis ist wissenschaftlicher Konsens. Eine Überraschung erlebten die spanischen Forscher hingegen, als sie das Modell mit so genannten superhydrophoben Nanopartikeln simulierten, die noch stärker wasserabstoßend waren. Diese konnten nicht nur in die Zellwand hineinwandern, sondern sie plötzlich auch wieder verlassen, also theoretisch ins Innere der Zelle eindringen. Zusätzliche Voraussetzung ist, dass die Nanopartikel mindestens genauso dick sind wie die Zellmembran selbst, im theoretischen Modell etwa fünf Nanometer.
An dieser Stelle nahm Vladimir Baulin mit der Experimentalphysikgruppe um Professor Ralf Seemann von der Universität des Saarlandes Kontakt auf, um das Modell experimentell bestätigen zu lassen. Die Spezialisten für biophysikalische Vorgänge an Grenzflächen in Ralf Seemanns Gruppe, Dr. Jean-Baptiste Fleury und sein Team, entwarfen einen mikrofluidischen Aufbau zur Bildung und Untersuchung von solchen Doppellagen aus Phospholipiden, die als künstliche Zellwand betrachtet werden können. Diese Doppellagen brachten die saarländischen Forscher mit hydrophoben Gold-Nanopartikeln in Kontakt. Den Goldpartikeln haftete eine Phospholipidschicht an, die dafür sorgte, dass sie sich gleichmäßig in der wässrigen Lösung verteilen, und verhinderte, dass sie sich zu Haufen zusammenballen. Fleury und sein Team konnten nun weltweit zum ersten Mal mithilfe einer Mischung aus Fluoreszenzmikroskopie und elektrophysiologischer Messmethoden einzelne Goldpartikel in Echtzeit auf ihrem Weg durch die Doppellage beobachten. Wie die Modelle der spanischen Forscher vorhersagten, beobachteten die Physiker aus dem Saarland, dass die Nanopartikel in die Doppellage eindringen konnten, indem sie ihre Phospholipidhülle in der künstlichen Doppellage abstreiften. Nanopartikel mit einem Durchmesser von sechs oder mehr Nanometern, was in etwa die Dicke einer typischen Doppellage entspricht, sind in der Lage, diese Doppellage binnen weniger Millisekunden wieder zu verlassen. Kleinere Nanopartikel hingegen bleiben in der Mitte der Doppellage gefangen.
Die Beobachtung, dass Nanopartikel blitzschnell in der Lage sind, Doppellagen wie sie zum Beispiel menschliche Zellen umgeben, zu durchqueren, dürfte die Sicherheitsbedenken gegenüber Nanopartikeln weiter steigen lassen und führt vielleicht dazu, Sicherheitsnormen im Umgang mit Nanopartikeln zu überarbeiten und zu verfeinern, so die Schlussfolgerung der Forscher aus Spanien und dem Saarland.
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Themenwelt Fluoreszenzmikroskopie
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