Kontrolle der Fruchtbarkeit

Neue Rolle des Entwicklungsgens WT1

30.03.2017 - Deutschland

Etwa 6 Millionen Paare in Deutschland haben einen unerfüllten Kinderwunsch. Bei jedem 10. Paar sind die Ursachen dafür unklar. Forschern vom Leibniz-Institut für Alternsforschung (FLI) in Jena ist es in Zusammenarbeit mit klinischen Partnern nun gelungen, eine neuartige Genmutation nachzuweisen, die bei Frauen offenbar zu Unfruchtbarkeit führt. Das mutierte WT1-Gen spielt eine wichtige Rolle bei der frühen Entwicklung des Embryos und steuert Proteine, insbesondere Proteasen, die für die erfolgreiche Einnistung des Embryos in die Gebärmutter verantwortlich sind.

Jena. Eine eigene Familie gründen - für viele Paare bleibt dieser Wunsch leider unerfüllt. Schätzungen zufolge ist fast jedes zehnte Paar in Deutschland ungewollt kinderlos. Manche kämpfen jahrelang, bis es endlich klappt; für andere geht der Kinderwunsch leider nie in Erfüllung – das eigene Kind bleibt dann nur ein Traum. Doch warum ist das so? Worin liegen die Gründe? Jenaer Forscher vom Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena haben in Zusammenarbeit mit klinischen Partnern bei Frauen eine neuartige Genmutation entdeckt, die ein Grund für den unerfüllten Kinderwunsch sein könnte.

Neuartige Genmutation von WT1

In Zusammenarbeit mit dem Sophien- und Hufeland-Klinikum Weimar und der Universitätsfrauenklinik Heidelberg untersuchten die Jenaer Forscher Probenmaterial von unter 40-jährigen Frauen, die unter ungeklärter Kinderlosigkeit leiden. Bei einer von 8 Frauen konnten sie eine neuartige Mutation im WT1-Gen nachweisen; die zweite Kopie des Gens war dagegen normal. „Dieses Ergebnis überraschte uns sehr“, berichtet Dr. Abinaya Nathan, Erstautorin der aktuellen Studie, „denn das Wilms-Tumor-Suppressor-Gen WT1 war uns bisher nur als wichtiges Gen für die Entwicklung und den Erhalt verschiedener Organe, wie z.B. Niere und Herz, bekannt“. Doch welche Rolle spielt das WT1-Gen bei der Regulation der Fruchtbarkeit?

Konservierte Genfunktion

Dieser Frage sind die Forscher im Mausversuch genauer nachgegangen: Sie fanden heraus, dass Mäuse, denen eine Kopie des Wt1-Gens fehlte, deutlich weniger Nachkommen als ihre Wildtyp-Verwandten bekamen. Darüber hinaus entdeckten sie, dass es die Aktivität von Wt1 im Eileiter ist, die die Fruchtbarkeit steuert. Der Eileiter ist für den Transport der reifen Eizelle vom Eierstock in die Gebärmutter verantwortlich. In ihm findet auch die Befruchtung der Eizelle durch ein Spermium statt. Wurde die Eizelle befruchtet, wandert sie weiter durch den Eileiter hindurch bis in die Gebärmutter, wobei sie sich immer weiter teilt und entwickelt. „Dieser Prozess muss sehr kontrolliert ablaufen“, erklärt Prof. Christoph Englert, Forschungsgruppenleiter am FLI, „denn entwickelt sich der Embryo zu schnell, dann droht eine Schwangerschaft im Eileiter; erfolgt die Entwicklung des Embryos zu langsam, dann kann er sich nicht in der Gebärmutter einnisten und wird abgestoßen. Die Kommunikation zwischen dem mütterlichen Gewebe und dem Embryo ist also enorm wichtig für den Erfolg einer Schwangerschaft“, so der Molekulargenetiker weiter.

Wt1 – Wechselspiel mit Proteasen

Die Jenaer Forscher konnten nachweisen, dass bei der Kommunikation zwischen dem mütterlichen Gewebe und dem Embryo den sogenannten „Proteasen“ eine besondere Rolle zukommt. Diese bauen Proteine ab und „verdauen“ den Embryo vor, damit er sich besser in der Gebärmutter einnisten kann. „Diese Proteasen sind normalerweise im Eileiter inaktiv und beginnen erst in der Gebärmutter mit ihrer Arbeit“, berichtet Prof. Englert. „Bei der Wt1-Mutation wird die Protease Prss29 aber bereits im Eileiter aktiv und schädigt den Embryo so sehr, dass er sich nicht mehr in die Gebärmutter einnisten kann und abgestoßen wird. Das könnte der wahre Grund dafür sein, warum bei diesen Frauen trotz bester Voraussetzungen eine Schwangerschaft nicht möglich ist“.

„Die Ähnlichkeit der Ergebnisse bei Maus und Mensch ist ein wichtiges Indiz dafür, dass diese Genfunktion bei Säugetieren konserviert ist“, unterstreicht Dr. Verena Holschbach von der Universitätsfrauenklinik Heidelberg die Ergebnisse der Studie. „Mit der Entdeckung der WT1-Genmutation und der daraus resultierenden vorzeitigen Aktivierung von Proteasen vor der Einnistung des Embryos in die Gebärmutter eröffnen sich völlig neue Therapieansätze, um ungewollt kinderlosen Paaren doch noch den Traum vom Kind zu ermöglichen“, sind sich die Forscher sicher. Breitere Patientinnen-Screenings in Zusammenhang mit den klinischen Partnern und detaillierte Untersuchungen zur gezielten Veränderung des Milieus in der Gebärmutter sind die nächsten Schritte auf diesem Weg.

Originalveröffentlichung

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