Pendeltrick für innovative Teilchenbeschleuniger

Neue Methode kann Strahlqualität von Plasmazellen steigern

29.05.2017 - Deutschland

Hamburger Forscher haben ein raffiniertes Verfahren zur Verbesserung sogenannter Plasmabeschleuniger ersonnen, die als vielversprechende Kandidaten für die Teilchenbeschleuniger der Zukunft gelten. Mit einem „Pendeltrick“ lässt sich die Qualität der Elektronenstrahlen aus diesen innovativen Teilchenbeschleunigern erheblich verbessern, wie ein Forscherteam der DESY-Forschungsbereiche Beschleuniger und Teilchenphysik zusammen mit der Gruppe von Andreas R. Maier von der Universität Hamburg berichtet.

Sören Jalas, Universität Hamburg

Simulation der Plasmawelle, die der Laserpuls (rot) hinter sich herzieht. Das Elektronenpaket ist als heller Fleck nahe dem Wellental zu sehen.

„Plasmabeschleuniger können eine bis zu tausendfach stärkere Beschleunigung erreichen als die modernsten Maschinen, die heute im Einsatz sind“, sagt DESY-Beschleunigerdirektor Reinhard Brinkmann, auf dessen Vorschlag die Studie basiert. „Damit könnten kompaktere und stärkere Anlagen mit einem breiten Einsatzspektrum von der Grundlagenforschung bis zur Medizin möglich werden. Allerdings befindet sich die Technik noch in einem sehr frühen experimentellen Stadium, und eine Reihe von Problemen muss gelöst werden, bevor eine Anwendung möglich wird.“

Bei der Plasma-Beschleunigung wird in einer dünnen Kapillare eine Welle aus elektrisch geladenem Gas erzeugt, ein sogenanntes Plasma. Dazu können beispielsweise Wasserstoff und extrem intensive und kurze Laserblitze dienen. „Die Laserpulse pflügen als schmale Scheiben durch das Gas und entreißen den Wasserstoffmolekülen ihre Elektronen, die wie von einem Schneepflug zur Seite gefegt werden“, beschreibt Maier, der am Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) arbeitet, einer Gemeinschaftseinrichtung von DESY, Universität Hamburg und der Max-Planck-Gesellschaft. „Elektronen im Kielwasser des Blitzes werden von der elektrisch positiv geladenen Plasmawelle vor ihnen beschleunigt – ähnlich wie ein Wakeboard-Surfer in der Heckwelle eines Schiffs.“

Dabei ist allerdings die Beschleunigung nicht für alle Elektronen dieselbe, je nach ihrer genauen Position auf der Welle. Teilchen, die sich etwas weiter vorne befinden, werden etwas schwächer beschleunigt als solche, die etwas weiter hinten reiten. Das führt zu einer unerwünscht breiten Streuung der Teilchenenergie. „Daraus ergibt sich ein ähnliches Problem wie bei der Fokussierung von Licht mit vielen Farben“, erläutert Maier. „Eine Linse funktioniert immer nur für eine Farbe optimal. Auch bei Elektronen funktioniert die Fokussierung stets nur für einen Energiewert optimal. Die Verringerung der sogenannten Energiebreite ist daher eines der wichtigsten Probleme von Plasmabeschleunigern.“

Ein Lösungsvorschlag kam von Brinkmann: Lässt man die Elektronen durch das Wellental vor und zurück pendeln, wird mal die eine Seite des Elektronenpakets stärker beschleunigt, und dann wieder die andere. Im Mittel gleicht sich das aus, so dass alle Elektronen dieselbe Beschleunigung erfahren – die Energiebreite schrumpft dadurch stark zusammen. Dabei wechseln die Fokussierungskräfte jeweils das Vorzeichen. Eine solche „alternierende Gradienten-Fokussierung“ ist ein in konventionellen Beschleunigern etabliertes Konzept, das stabile Teilchenbahnen erlaubt. Neben der kleinen Energiebreite wird somit auch eine sehr gute Bündelung (eine geringe Emittanz) des Strahls garantiert.

Ganz so einfach lässt sich das allerdings nicht umsetzen, denn die gesamte Plasmawelle ist nur etwa 0,1 Millimeter lang, und die Elektronen lassen sich nicht einfach im nötigen kurzen Rhythmus verschieben. „Es ist sehr schwierig, daran etwas zu manipulieren“, sagt Maier. Die Physiker ersonnen daher eine Alternative: Statt der Elektronen lässt sich auch die Plasmawelle hin und her schieben, was deutlich einfacher zu kontrollieren ist. Dazu müssen sich in der gasgefüllten Kapillare Zonen höherer und niedrigerer Dichte abwechseln. Das lässt sich erreichen, indem entlang der einige Millimeter langen Kapillare mehrere Gas-Zuläufe mit düsenförmigen Öffnungen gelegt werden. Jede Düse führt zu einer Zone erhöhter Gasdichte im Inneren der Kapillare. Bei jeder Dichteschwankung ändert sich die Wellenlänge der Plasmawelle, so dass sie sich relativ zu den Elektronen verschiebt. Die Teilchen reiten so abwechselnd etwas weiter vorne und etwas weiter hinten auf der Welle.

„Auf diese Weise können wir über die Veränderung makroskopischer Parameter, beispielsweise über den Druck in der Wasserstoff-Zuleitung, den Elektronenstrahl auf der Mikrometer-Ebene beeinflussen“, sagt Maier. „Mit dem von uns ausgearbeiteten Prinzip hoffen wir dabei, direkte Kontrolle über das Beschleunigungsfeld zu bekommen. Das ist ein entscheidender Schritt für die Entwicklung von Plasmabeschleunigern.“ Die Forscher haben die Methode im Detail simuliert, unter anderem auf dem Supercomputer JURECA am Forschungszentrum Jülich. Ein praktischer Test steht noch aus. In einem ersten Schritt wollen die Physiker das zugrundeliegende Konzept am experimentellen Laser-Plasmabeschleuniger LUX ausprobieren, und dabei über gezielte Steuerung der Plasmadichte in der Kapillare die Elektronen direkt beeinflussen. LUX wird gemeinsam von DESY und der Universität Hamburg im Rahmen der LAOLA-Kooperation betrieben.

Originalveröffentlichung

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

Unter die Lupe genommen: Die Welt der Mikroskopie