Geheimnis des Sehens gelüftet
Müllerzellen ähneln Glasfaserkabeln
Wie Säulen durchspannen Millionen von Müllerzellen die Retina von einer Seite zur anderen. Sie sammeln mit ihrer trichterartigen Ausstülpung das Licht an der vorderen Netzhautoberfläche, leiten es an den Licht streuenden Strukturen vorbei, und direkt an die Lichtsinneszellen an der hinteren Netzhautoberfläche weiter. Diese Entdeckung ist so bedeutend, schätzen die Wissenschaftler, dass sie zum Umschreiben der Lehrbücher führen könnte. Denn dort steht über die Müllerzellen bis heute nur: Stützfunktion. Oder gar: Funktion unbekannt.
Die Forscher wiesen die verblüffenden Eigenschaften unter anderem an isolierten Müllerzellen nach - mit Hilfe des "Optical Stretchers". In dieser optischen Falle wird eine einzelne Zelle zwischen zwei sich gegenüber stehenden Infrarot-Lasern ausgerichtet und dort durch physikalische Wechselwirkungen festgehalten. Schaltet man nun an dem Ende der Zelle, das in der intakten Netzhaut an der vorderen Netzhautoberfläche liegt, einen dritten Laserstrahl hinzu, so leitet die Müllerzelle ihn nahezu unabgeschwächt bis zum anderen Ende weiter. "So kommt am Messpunkt etwa dreimal mehr Licht an, als wenn man das Laserlicht ohne eine zwischengeschaltete Müllerzelle losschickt", so Prof. Reichenbach. Das kleine biologische Wunderwerk vermag die Strahlen sogar um die Ecke zu führen: Verbiegt man die Zelle, folgt auch das Licht dieser Krümmung.
Diese neuen Erkenntnisse gelten nicht nur für das menschliche Auge, sondern für das Auge aller Wirbeltiere und lösen nun das klassische Problem der sogenannten "umgekehrten Wirbeltierretina". Die Studie entstand in Kooperation mit Prof. Käs und Dr. Guck vom Institut für experimentelle Physik im Graduiertenkolleg InterNeuro der Universität Leipzig und wurde jetzt in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht.
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