Extrem helle und schnelle Lichtemission
ETH Zürich / Empa / Maksym Kovalenko
IBM Research / Thilo Stöferle
Ein internationales Team von Wissenschaftlern der ETH Zürich, von IBM Research Zurich, der Empa und von vier amerikanischen Forschungseinrichtungen hat die Erklärung gefunden, warum eine in den letzten Jahren intensiv untersuchte Klasse von Nanokristallen in so unglaublich hellen Farben leuchtet. Bei den Nanokristallen handelt es um solche aus Cäsium-Blei-Halogenid-Verbindungen, die in einer sogenannten Perowskit-Gitterstruktur angeordnet sind.
Vor drei Jahren ist es Maksym Kovalenko, Professor an der ETH Zürich und der Empa, gelungen, aus diesem Halbleitermaterial Nanokristalle – oder Quantenpunkte, wie sie auch genannt werden – herzustellen. «Diese winzigen Kristalle erwiesen sich als extrem helle und schnell emittierende Lichtquellen, heller und schneller als jede andere bisher untersuchte Art von Quantenpunkten», sagt Kovalenko. Indem er die Zusammensetzung der chemischen Elemente und die Nanopartikelgrösse variierte, gelang es ihm ausserdem, unterschiedliche Nanokristalle herzustellen, die in den Farben des gesamten sichtbaren Spektrums leuchten. Diese Quantenpunkte werden daher auch als Komponenten zukünftiger Leuchtdioden und Bildschirme gehandelt.
In einer Studie untersuchte das internationale Forscherteam diese Nanokristalle nun einzeln und äusserst detailliert. Dabei konnten die Wissenschaftler bestätigen, dass die Nanokristalle extrem schnell Licht emittieren. Bisher untersuchte Quantenpunkte senden bei Raumtemperatur typischerweise rund 20 Nanosekunden, nachdem sie angeregt werden, Licht aus. Das ist bereits sehr schnell. «Cäsium-Blei-Halogenid-Quantenpunkte hingegen emittieren Licht bei Raumtemperatur nach nur einer Nanosekunde», erklärt Michael Becker, der Erstautor der Studie. Er ist Doktorand der ETH Zürich und führt seine Doktorarbeit bei IBM Research durch.
Elektronen-Loch-Paar in angeregtem Zustand
Um zu verstehen, warum die Cäsium-Blei-Halogenid-Quantenpunkte nicht nur schnell, sondern auch sehr hell sind, muss man in die Welt der einzelnen Atome, Lichtteilchen (Photonen) und Elektronen eintauchen: «Halbleiter-Nanokristalle kann man mit einem Photon so anregen, dass ein Elektron seinen angestammten Platz im Kristallgitter verlässt und dort eine Lücke hinterlässt», erklärt David Norris, Professor für Material-Engineering an der ETH Zürich. Es entsteht ein Elektronen-Loch-Paar, das sich in einem angeregten Energiezustand befindet. Fällt das Elektronen-Loch-Paar in seinen energetischen Grundzustand zurück, wird dabei Licht emittiert.
Unter bestimmten Bedingungen sind verschiedene Zustände angeregter Energie möglich, wobei in vielen Materialien der wahrscheinlichste davon ein ‹dunkler Zustand› genannt wird. «In einem solchen dunklen Zustand kann das Elektronen-Loch-Paar nicht direkt in den Grundzustand zurückfallen. Die Lichtemission wird daher unterdrückt, sie erfolgt langsamer und ist weniger hell», sagt Rainer Mahrt, Wissenschaftler bei IBM Research.
Nicht im dunklen Zustand
Wie die Forschenden nun zeigen konnten, unterscheiden sich die Cäsium-Blei-Halogenid-Quantenpunkte von anderen Quantenpunkten: Bei den Cäsium-Blei-Halogenid-Quantenpunkten ist der wahrscheinlichste angeregte Energiezustand kein dunkler Zustand. Vielmehr befinden sich angeregte Elektronen-Loch-Paare in einem Zustand, aus dem sie sofort Licht emittieren können. «Dies ist der Grund, warum sie so hell leuchten», sagt Norris.
Zu diesem Schluss kamen die Forschenden anhand ihrer neuen Experimentaldaten und mithilfe von theoretischen Überlegungen, bei denen Alexander Efros federführend war, ein theoretischer Physiker am Naval Research Laboratory in Washington. Er ist ein Pionier der Quantenpunkt-Forschung und fand vor 35 Jahren gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern heraus, wie traditionelle Halbleiter-Nanokristalle funktionieren.
Hervorragend für Datenübertragung
Weil die untersuchten Cäsium-Blei-Halogenid-Quantenpunkte nicht nur hell sind, sondern auch günstig herzustellen, kommen sie für den Einsatz in Bildschirmen infrage. Mehrere Firmen, sowohl in der Schweiz als auch weltweit, leisten Entwicklungsarbeit in diesem Bereich. «Weil die Quantenpunkte Photonen sehr schnell emittieren können, sind sie ausserdem interessant für die optische Datenkommunikation innerhalb von Rechenzentren und Supercomputern. Schnelle, kleine und effiziente Komponenten sind dort besonders wichtig», sagt Mahrt. Eine weitere künftige Anwendung wäre die optische Simulation von Quantensystemen, welche in der Grundlagenforschung und der Materialwissenschaft bedeutend ist.
ETH-Professor Norris schliesslich ist daran interessiert, das neue Wissen für die Entwicklung neuer Materialien zu nutzen. «Da wir nun verstehen, warum diese Quantenpunkte so hell sind, können wir auch darüber nachdenken, andere Materialen mit ähnlichen oder noch besseren Eigenschaften zu entwickeln», sagt er.
Originalveröffentlichung
Michael A. Becker, Roman Vaxenburg, Georgian Nedelcu, Peter C. Sercel, Andrew Shabaev, Michael J. Mehl, John G. Michopoulos, Samuel G. Lambrakos, Noam Bernstein, John L. Lyons, Thilo Stöferle, Rainer F. Mahrt, Maksym V. Kovalenko, David J. Norris, Gabriele Rainò & Alexander L. Efros; "Bright triplet excitons in caesium lead halide perovskites"; Nature; 2018