Das Pikometer-Mikroskop: Hochpräzise Messung elektrischer Felder
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„Die Fortschritte in der Elektronenmikroskopie waren in den letzten Jahren enorm“, sagt Prof. Peter Schattschneider (TU Wien). Es ist heute nicht nur möglich, einzelne Atome abzubilden, man kann mit fokussierten Elektronenstrahlen sogar subatomare Auflösung erreichen. In einer deutsch-österreichisch-belgischen Kooperation wurde nun eine „Picodiffraktions-Methode“ entwickelt, mit der sich die elektrischen Felder zwischen den Atomen Punkt für Punkt messen lassen. Die Methode wurde nun im Journal „Nature Communications“ vorgestellt.
Elektrische Felder verbiegen den Elektronenstrahl
Mittlerweile kann man Elektronenstrahlen auf Bereiche von etwa 50 Pikometern fokussieren – das ist ein Bruchteil des Abstandes zwischen zwei benachbarten Atomen in einem Kristall. Ein Pikometer ist ein Billionstel eines Meters (10^-12 m). Mit einem derart präzise fokussierten Strahl lässt sich ein Material Punkt für Punkt abrastern. Das elektrische Feld, das zwischen den Atomen herrscht, beeinflusst den Pfad der Elektronen.
„Zunächst erwartete man, dass die Elektronen durch das elektrische Feld einfach abgelenkt und die Messpunkte dadurch verschoben werden“, sagt Stefan Löffler (TU Wien). „Doch ganz so einfach ist das nicht.“ Zwischen den Atomen ändert sich das elektrische Feld auf minimalen Distanzen sehr stark. Durch diese extreme Ungleichförmigkeit des Feldes wird der Elektronenstrahl nicht nur abgelenkt, wie das mit dem Elektronenstrahl in einem Röhrenmonitor geschieht, sondern auf kompliziertere Weise gestört.
Die experimentellen Untersuchungen wurden in Antwerpen (Belgien) durchgeführt. Der Elektronenstrahl wurde auf verschiedene Stellen eines Strontiumtitanat-Kristalls geschossen. Der Strahl durchdrang den Kristall und wurde auf der anderen Seite von einem Detektor aufgezeichnet.
Aus dem Elektronenbild das elektrische Feld berechnen
Ohne Kristall würde man auf dem Detektor eine gleichmäßige runde Scheibe sehen, doch durch das lokale elektrische Feld im Kristall entsteht ein kompliziertes Muster in der Scheibe. Stefan Löffler und Prof. Peter Schattschneider von der TU Wien entwickelten gemeinsam mit den deutschen Kollegen eine Methode, aus diesem veränderten Muster an jeder Stelle das lokale elektrische Feld im Kristall zu berechnen.
„Entscheidend dabei ist, die Elektronen quantenmechanisch zu betrachten, und sie nicht nur als klassische Teilchen zu sehen, die sich auf einem bestimmten geradlinigen Pfad bewegen“, erklärt Peter Schattschneider. „Das Elektron muss man als Quantenwelle betrachten, doch sein Schwerpunkt bewegt sich wie ein klassisches Teilchen – und genau das können wir uns mathematisch zu Nutze machen.“
Die neue Methode soll nun helfen, besondere Materialien besser zu verstehen. Kennt man das elektrische Feld zwischen den Atomen, kann man daraus auch auf die Verteilung der elektrischen Ladung und auf den in der Chemie so wichtigen „Ladungstransfer“ schließen. „Für die Arbeit an Ferroelektrika oder anderen wichtigen Materialien könne diese Methode eine große Hilfe sein“, sind Schattschneider und Löffler zuversichtlich.
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