Moleküle von Geruchsstoffen zeigen unerwartete Flexibilität
Hochaufgelöste Rotationsspektroskopie offenbart eine beispiellose Zahl von Konformationen eines Geruchsstoffmoleküls – ein neuer Weltrekord!
© S. R. Domingos / MPI for the Structure and Dynamics of Matter
Die Wissenschaft des Geruchssinns gibt bis heute Rätsel auf, und die Frage wie unser Körper Gerüche interpretiert ist immer noch aktuelles Thema weltweiter Debatten. Wir wissen immerhin so viel: Die Funktion eines bestimmten Biomoleküls ist unmittelbar davon abhängig, wie dieses Molekül in den jeweiligen biologischen Rezeptor „hineinpasst“ – so wie ein Schlüssel, der nur ein bestimmtes Türschloss schließt. Viele biochemische Prozesse werden durch dieses sogenannte Schlüssel-Schloss-Prinzip gesteuert. Die Größe, Form und Flexibilität des Schlüssels bestimmen, wie gut er sich an sein Ziel binden kann: Kann er das richtige Schloss öffnen oder nicht?
Um Aufschluss über diese Mechanismen zu erhalten, haben die Forscher eine hochaufgelöste rotationsspektroskopische Untersuchung von Citronellal durchgeführt – einem vielseitigen biochemischen Ausgangsstoff, der in vielen ätherischen Ölen natürlich auftritt. Er hat einen ausgeprägten Zitronenduft und wird häufig in der kosmetischen Industrie eingesetzt.
Die Forscher entdeckten, dass dieses Molekül eine beachtliche Zahl von Formen, sogenannte Konformationen, annehmen kann, allein durch Rotationen um fünf verschiedene Kohlenstoff-Kohlenstoff-Einfachbindungen. Diese miteinander abgestimmten Rotationen führen zu einer außergewöhnlich großen Zahl stabiler Formen des Moleküls. Insgesamt konnten fünfzehn Formen identifiziert werden. „Wir haben Anhaltspunkte dafür, dass dieses unglaublich flexible System eine Vorliebe für kugelförmige Strukturen hat, sich also bevorzugt ineinander faltet“, sagt Sérgio Domingos, Erstautor der Arbeit. „Diese Beobachtung erlaubte es uns, wichtige Informationen bezüglich der möglichen Wechselwirkungen dieses Moleküls mit biologischen Rezeptoren abzuleiten.“
Die Zahl der Konformationen (Schlüssel), welche bei diesem Molekül beobachtet wurden, stellt einen Weltrekord in der Fachwelt der Mikrowellenspektroskopie dar. „Die außergewöhnliche Fähigkeit dieses Duftmoleküls, seine Form zu verändern, erlaubt besondere Einblicke in die Beziehung zwischen Struktur und Funktion eines Biomoleküls. Wir haben nicht nur fünfzehn Schlüssel gefunden, sondern haben nun auch ein besseres Verständnis, welche von ihnen besser in das Schloss passen könnten“, sagt Gruppenleiterin Melanie Schnell abschließend.
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